Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Berechnung des Krankengeldes. freiwillig versicherter Selbständiger. negatives Arbeitseinkommen. eigenständige Prüfung eines neu festzustellenden Anspruchs. kein Vertrauensschutz. Entscheidungsrecht beim Versicherten, ob an einem ins Leere laufenden Versicherungsschutz festgehalten wird
Leitsatz (amtlich)
Bei freiwillig versicherten Selbständigen richtet sich das Krankengeld nach dem vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielten Arbeitseinkommen (Gewinn), das grundsätzlich dem zuletzt erteilten Einkommensteuerbescheid zu entnehmen ist. Dies gilt auch dann, wenn darin keine oder sogar negative Einkünfte festgesetzt worden sind.
Orientierungssatz
Ergibt sich aufgrund Negativeinkünften in dem zugrunde zu legenden Einkommenssteuerbescheid kein Zahlbetrag des Krankengeldes, so kann sich der Versicherte aus dem Umstand heraus, dass in der Vergangenheit schon einmal Krankengeld gezahlt worden ist und die Krankenkasse ihn weiterhin mit entsprechendem Krankengeldanspruch versichert hat, nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zum einen sind für jeden neu festzustellenden Krankengeldanspruch die Voraussetzungen neu zu erfüllen. Zum anderen bleibt es der eigenständigen Prüfung des mit Anspruch auf Krankengeld versicherten freiwilligen Mitglieds überlassen, ob es an einem ins Leere gehenden Versicherungsschutz festhalten will (vgl BSG vom 12.3.2013 - B 1 KR 4/12R = SozR 4-2500 § 47 Nr 14).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Krankengeld streitig.
Der 1951 geborene Kläger ist als Karosseriebauer und Kfz-Techniker seit 1998 hauptberuflich selbstständig erwerbstätig und bei der Beklagten seit 09.06.2012 mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit (Wahltarif-Krankengeld) freiwillig versichert. Der Krankenversicherungsbeitrag des Klägers war nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs 4 S 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf den Mindestbeitrag festgesetzt. Im Beitragsbescheid vom 11.07.2012 wies die Beklagte darauf hin, dass das Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallenes Einkommen ersetzen soll; wenn wegen der Krankheit ein Einkommensverlust nicht eintrete, etwa weil der letzte Steuerbescheid negatives Arbeitseinkommen ausweise, ruhe der Anspruch auf Krankengeld.
Der Kläger bezog vom 17.01.2013 bis zum 22.02.2013 Krankengeld von der Beklagten.
Am 25.03.2013 stellte der Facharzt für Allgemeinmedizin D. dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einer Arbeitsunfähigkeit seit 18.03.2013 aus. Zudem stellte dieser Arzt am 02.05.2013, 16.05.2013, 03.06.2013, 17.06.2013, 01.07.2013, 18.07.2013, 12.08.2013, 23.08.2013, 09.09.2013 und 20.09.2013 (Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 04.10.2013) Auszahlscheine für Krankengeld aus.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger am 02.05.2013 den am 02.11.2012 erlassenen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes E. für das Jahr 2011 vor. Darin wurden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer iHv -3.170 € ausgewiesen. Im Einkommensteuerbescheid für 2010 wurden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer iHv 16.555 € festgestellt. Am 17.05.2013 gab der Kläger auf einem Einkommensfragebogen der Beklagten an, dass er auch im Jahr 2012 negative Einkünfte iHv -922 € erzielen werde.
Mit Bescheid vom 03.05.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab 01.04.2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, selbstständig Erwerbstätige erhielten Krankengeld nur auf der Basis des Arbeitseinkommens, dass der letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorgenommenen Beitragsfestsetzung zugrunde gelegt worden sei. Unabhängig von der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 SGB V sei auf das Arbeitseinkommen abzustellen. Somit sei zur Beurteilung der Krankengeldhöhe der letzte aktuelle Steuerbescheid maßgebend, der der Beitragsfestsetzung vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu Grunde gelegen habe. Dies sei hier der Bescheid für das Jahr 2011. Dort würden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb Negativeinkünfte iHv 3.170 € ausgewiesen. Da laut geltender Rechtsprechung Krankengeld nur ein reales Einkommen ersetzen solle, könne der Kläger derzeit kein Krankengeld erhalten.
Am 19.05.2013 erhob der Kläger Widerspruch. Mit Schreiben vom 11.06.2013 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen könne. Der daraufhin gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Freiburg (Beschluss vom 29.10.2013, S 11 KR 4299/13 ER) war auch beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 29.1.2014, L 5 KR 4818/13 ER-B) erfolglos.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. D...