Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Bereitschaftsarzt im Nachtdienst. Vertrag über freie Mitarbeit. Einsatzpauschale. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bereitschaftsärzte, die in einer psychosomatischen Akut-Klinik auf der Grundlage eines Vertrages über freie Mitarbeit den Nachtdienst (nur) für allgemein-medizinische Notfälle übernehmen und als Vergütung einen Pauschalbetrag (Einsatzpauschale) erhalten, üben keine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 28.01.2015 und 11.03.2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.04.2012, 08.05.2012 und 15.05.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 07.12.2012 aufgehoben, soweit Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 8) und 15) als Bereitschaftsärzte im Nachtdienst nachgefordert werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 20.139,68 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 20.139,68 € für Bereitschaftsärzte im Nachtdienst im Rahmen von Betriebsprüfungen für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis 31.12.2010.
Die Klägerin ist Trägerin einer psychosomatischen A.-Klinik in H.. Die Beklagte führte vom 27.01.2011 bis 26.12.2011 eine Betriebsprüfung bei der O. Klinische Betriebsgesellschaft mbH und der O. Therapie GmbH durch. Letztere (im Folgenden “Rechtsvorgängerin„) ist mit Wirkung vom 20.07.2016 auf die O. Klinische Betriebsgesellschaft mbH verschmolzen, die seither unter “O..-Kliniken GmbH„ (Klägerin) firmiert (Handelsregister beim Amtsgericht C. - HRB ... B und HRB ... B).
Die Beigeladenen zu 1) bis 8) und 15) sind Ärzte, teilweise (im hier maßgeblichen Zeitraum) mit eigener Praxis bzw mit Renten-/Versorgungsbezug. Sie schlossen mit der Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin Rahmenverträge über den Einsatz als freie Mitarbeiter und waren für die Klägerin an einzeln vereinbarten Tagen als Bereitschaftsärzte im Nachtdienst für allgemein-medizinische Notfälle tätig. Sie traten hierfür den Dienst um 17:00 Uhr an und beendeten ihn um 8:00 Uhr des darauffolgenden Tages. Zu Beginn und Ende des Dienstes fand eine kurze Übergabe an/durch den diensthabenden Arzt der Klinik statt. Die Ärzte hielten sich während des Nachtdienstes entweder im Arztzimmer oder im separat hierfür zur Verfügung gestellten Übernachtungsraum in der Klinik auf. Für den Nachtdienst erhielten sie eine Einsatzpauschale je Einsatztag (zwischen 200 € und 300 €). Während der Nachtzeit hielt sich kein angestellter Klinikarzt in der Klinik auf. Zudem fanden in dieser Zeit keine Therapien statt.
Die Beigeladene zu 2) vertrat zusätzlich an einzelnen Tagen tagsüber den angestellten Allgemeinmediziner auf Station. Die Buchhaltung weist insoweit weitere Honorarzahlungen für die Jahre 2009 und 2010 separat aus.
Im Rahmen der Betriebsprüfung übersandte die Beklagte den Beigeladenen zu 1) bis 8) und 15) Fragebögen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung, den diese (mit Ausnahme des Beigeladenen zu 4) ausgefüllt zurücksandten.
Mit Schreiben vom 29.12.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und deren Rechtsvorgängerin zur Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Bereitschaftsärzte und weiterer Mitarbeiter (Therapeuten) an. Mit Bescheiden vom 04.04.2012 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.12.2008 insgesamt 49.707,99 €, von deren Rechtsvorgängerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 insgesamt 34.540,90 € zur Sozialversicherung nach. Grundlage der Beitragsbemessung und der Aufteilung auf die Klägerin und deren Rechtsvorgängerin waren die Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaften und die dort aufgeführten Honorarsummen.
Zur Begründung der angenommenen abhängigen Beschäftigung der Bereitschaftsärzte führte die Beklagte in den Bescheiden aus, dass die Ärzte gegenüber dem Patienten nicht als selbstständig Tätige aufgetreten seien. Sie hätten für die Nutzung der Klinikeinrichtungen auch keine Nutzungsentschädigung entrichten müssen. Zwar spreche die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse seien Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen würden, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ein konkretes Angebot ablehne. Ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sei die Tatsache, dass die Honorarärzte identische Tätigkeiten ausüben würden, wie die abhängig Beschäftigten des Auftraggebers. Ausschlaggebend sei letztlich der Umstand, dass die Honorarärzte in d...