Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Verfahrensfehler. Verkündung eines Urteils aufgrund mündlicher Verhandlung. Namensangabe der beteiligten Berufsrichter im Rubrum. qualifizierte elektronische Signatur. keine erneute Namensnennung am Ende des elektronischen Dokuments. keine Unwirksamkeit des Urteils. kein Zurückverweisungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1. Ein aufgrund mündlicher Verhandlung verkündetes Urteil, welches die beteiligten Berufsrichter im Rubrum anführt und von diesen qualifiziert elektronisch signiert wurde, ist nicht deswegen unwirksam bzw als Nichturteil anzusehen, weil am Ende des elektronischen Dokuments entgegen § 65a Abs 7 SGG die Namen der Berufsrichter nicht erneut aufgeführt sind.
2. Zum Fehlen eines Zurückverweisungsgrundes nach § 159 SGG beim Vorliegen eines Formfehlers nach Ziff 1.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.08.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1962 geborene Kläger beantragte am 08.11.2019 bei der DRV Bund Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dabei gab er u.a. an, er habe bis 1995 studiert - zunächst Architektur, danach Philosophie und Kunstwissenschaft. Nach seinem Studium sei er bis 2010 als freier Mitarbeiter bei Zeitschriften und Architekturbüros sowie als Orgelrestaurator tätig gewesen. Anschließend habe er zwölf Monate als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU B. gearbeitet. Seit 2013 pflege er seine Eltern.
Mit Schreiben vom 21.11.2019 leitete die DRV Bund den Antrag unter Hinweis auf § 14 SGB IX an die Beklagte weiter. Sie sei für die Angelegenheit nicht zuständig, da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI nicht erfülle.
Der Kläger beantragte am 02.12.2019 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch bei der Beklagten.
Die Beklagte übersandte zunächst dem Kläger mit Schreiben vom 05.12.2019 Vordrucke und Fragebögen zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Mit Bescheid vom 09.12.2019 wies die Beklagte den Antrag zurück. Zur Begründung gab sie an, beim Kläger bestehe keine Behinderung nach § 19 SGB III i.V.m. § 2 SGB IX. Im Jahr 2016 seien bei einer Begutachtung keine wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen festgestellt worden; auch aktuell habe der Kläger keine Erkrankungen nachgewiesen. Grund für die fehlende Integration in den Arbeitsmarkt sei nicht eine Behinderung, sondern neben dem Lebensalter vor allem die berufliche Biografie des Klägers.
Der Kläger legte hiergegen am 08.01.2020 Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2020 unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zurückwies.
Mit Schreiben vom 05.02.2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Antrag vom 02.12.2019 nicht neu verbeschieden werde, sondern der Bescheid vom 09.12.2019 seine Gültigkeit behalte.
Der Kläger hat am 14.02.2020 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, dass er den Beruf eines Architekten erlernt habe. Derzeit sei er arbeitslos, und zwar aufgrund einer psychischen Erkrankung: Er leide an wiederkehrenden Depressionen, die mit Angst, Antriebslosigkeit und Erschöpfung einhergingen. Um seine Erwerbsfähigkeit herzustellen, benötige er Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hierauf habe er gemäß § 112 Abs. 1 SGB III einen Anspruch.
Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung des den Kläger behandelnden Psychiaters H. als sachverständigen Zeugen.
H. hat mit Schreiben vom 16.07.2020 mitgeteilt, dass er den Kläger seit Juni 2015 regelmäßig ein bis zwei Mal im Quartal behandele. Es liege eine rezidivierende depressive Störung vor dem Hintergrund einer Dysthymie vor. Vorbekannt sei auch eine koronare Zweigefäßerkrankung mit Z.n. PTCA und Stent 2017. Es bestehe eine gesetzliche Betreuung für Wohnungsangelegenheiten und Gesundheitsfürsorge. Eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes sei nicht festzustellen. Die depressiven Verstimmungen seien unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine Stabilisierung auf unterem Level habe erzielt werden können.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.08.2020 abgewiesen. Es liege keine Behinderung im Sinne des § 19 SGB III vor. Nach Angaben des sachverständigen Zeugen H. liege eine Dysthymie (also eine affektive Verstimmung, die noch nicht den Schweregrad einer Depression erreicht), verbunden mit rezidivierenden depressiven Phasen vor. Der Kläger sei jedoch gleichwohl unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. So habe er z.B. im Juni 2019 ein zweiwöchiges Praktikum beim Städtischen Klinikum K absolviert und in diesem Rahmen Akten digitalisiert (Verbis-Vermerk vom 1.7.2019), ohne dass ihn dies gesundhei...