Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung der Mindestversicherungszeit für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. multilaterale Zusammenrechnung von in Deutschland, Serbien und Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten bei Anwendung des SozSichAbk YUG. Wechsel in eine andere Altersrente iS des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6. Der Senat hat die Revision zugelassen.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer deutschen Staatsangehörigen, die rentenrechtliche Zeiten sowohl in Serbien als auch in Deutschland und in Frankreich hat, sind sämtliche Versicherungszeiten auf die Wartezeit für eine Altersrente für Schwerbehinderte nach § 37 SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1992 anzurechnen.

2. Der Ausschluss der multilateralen Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (Kumulierungsverbot) steht dem nicht entgegen, weil das in diesem Fall noch zur Anwendung kommende Deutsch-Jugoslawische Sozialversicherungsabkommen (juris: SozSichAbk YUG) keine sog Abwehrklausel enthält.

3. Ein Wechsel in eine andere Altersrente iS des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI liegt nur vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte (neue) Rente erst nach der Bewilligung und während des Bezugs der (bisherigen) Rente eingetreten sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen B 5 R 21/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.02.2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2015 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 11.11.2005 aufzuheben und der Klägerin ab dem 01.01.2007 eine Altersrente für Schwerbehinderte zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht eine Neufeststellung ihrer Altersrente im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X geltend.

Die 1940 in Serbien geborene Klägerin ist seit Mai 1978 deutsche Staatsangehörige. Sie war sowohl im früheren Jugoslawien (Serbien) als auch in Frankreich und in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. In Deutschland war sie von Dezember 1969 bis September 1998 - mit Unterbrechungen - erwerbstätig. Von Oktober 1998 bis März 2000 wurden Pflichtbeiträge aufgrund des Bezugs von Sozialleistungen (Krankengeld und Arbeitslosengeld) entrichtet. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung liegen von 1987 bis 1997 vor. Die Gesamtzahl der rentenrechtlichen Zeiten nach deutschem Recht beträgt 364 Kalendermonate. Für die Zeit von März 1961 bis November 1969 bestätigte der jugoslawische Versicherungsträger rentenrechtliche Zeiten nach dem damaligen jugoslawischen Recht im Umfang von 46 Kalendermonaten. Im Jahr 1966 arbeitete die Klägerin in Frankreich; der französische Versicherungsträger bestätigte 4 Trimester an Versicherungszeiten nach französischem Recht. Ab 31.03.1998 war die Klägerin als schwer behinderter Mensch anerkannt (Bl 354 f Band I der Verwaltungsakte der Beklagten).

Am 14.10.1999 beantragte die Klägerin bei der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) N.-O. die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte anerkannt sind, und Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Die LVA N.-O. bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 30.03.2000 Altersrente für Frauen ab dem 01.04.2000. Die Rente wurde unter Beachtung eines durchgeführten Versorgungsausgleichs sowie unter Berücksichtigung des im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland weitergeltenden Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (DJSVA - BGBl II 1969 S 1437) berechnet. Aufgrund der kalendarischen Lage übernahm der Rentenversicherungsträger im Zeitraum vom 01.03.1961 bis 01.11.1969 als Versicherungszeiten in Serbien bzw Montenegro 4 Jahre und 11 Tage (Bl 410 und 464 Band I der Verwaltungsakte). Der Zugangsfaktor wurde für 3 Kalendermonate um 0,009 vermindert und betrug demzufolge 0,991. Der monatliche Rentenwert wurde auf der Grundlage von 24,6195 persönlichen Entgeltpunkten (pEP) ermittelt (24,8431 * 0,991). Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: „Voraussetzung für die Altersrente mit vollendetem 60. Lebensjahr wegen Schwerbehinderung ist unter anderem eine Wartezeit von 35 Versicherungsjahren (= 420 Monate). Da Sie allein mit deutschen Zeiten diese Wartezeit nicht erfüllen, haben wir den jugoslawischen Rentenversicherungsträger in Beograd um Aufstellung aller dort zurückgelegten Versicherungszeiten gebeten. Sobald uns die jugoslawischen Zeiten von Beograd bestätigt werden, überprüfen wir, ob die Wartezeit für die Altersrente gem. § 37 SGB VI erfüllt ist. Diese Rente könnte dann ab 01.04.2000 ohne Abschlag gezahlt werden. Wir werden dann die für Sie günstigere Rente ohne Abschlag rückwirkend gewähren.“ Einen Widerspruch der Kläg...

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