Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung gem § 159 Abs 1 Nr 2 SGG. wesentlicher Verfahrensmangel. unterbliebene Beweisaufnahme. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1) § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung fordert einen kausalen Zusammenhang zwischen dem die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden wesentlichen Verfahrensmangel und der Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme.

2) Die erforderliche Beweisaufnahme muss entgegen dem Wortlaut der Norm nicht auf dem Verfahrensmangel selbst beruhen, sondern wegen des Verfahrensmangels unterblieben sein; zu prüfen ist, ob eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme ohne den Verfahrensfehler in erster Instanz durchzuführen gewesen wäre (so auch Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, § 538 ZPO Rdnr. 15).

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Streitig ist die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Klägerin Ziff 1 ab 1. August 2008, die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für den Zeitraum Februar bis Juli 2008 und die Erstattung gezahlter Leistungen für die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 in Höhe von jeweils 2.629,85 € sowie die Aufhebung und Erstattung gezahlten Einstiegsgeldes von Februar bis September 2008 für die Klägerin Ziff. 1. in Höhe von 1.249,20 €.

Die Kläger lebten nach ihren Angaben ab 1. Januar 2008 in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (siehe Bl. 131, 132 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2008 in Höhe von 624,00 € monatlich.

Am 17. März 2008 meldete die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Aufnahme eines Gewerbes (Thailändische Wellness-Massage) zum 1. April 2008 in ihrer Wohnung in der H.-Straße an. Diesbezüglich stellte die Klägerin bei der Beklagten am 3. April 2008 einen Antrag auf Einstiegsgeld, das ihr mit Bescheid vom 15. April 2008 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2008 in Höhe von monatlich 208,20 € bewilligt wurde. Mit zweien an die beiden Kläger adressierten Änderungsbescheiden vom 16. April 2008 wurde den Klägern vom 1. April 2008 bis 31. Juli 2008 monatlich 624,00 € bewilligt. Die Bescheide enthielten einen Hinweis auf die am 1. April 2008 aufgenommene selbstständige Tätigkeit der Klägerin Ziff. 1. Am 15. Mai 2008 zeigte die Klägerin Ziff. 1 bei der Stadt Ö. die Verlegung ihres Gewerbes in die K.-Sch.-Straße zum 15. Mai 2008 an.

Mit zwei Änderungsbescheiden vom 26. Mai 2008 - adressiert wiederum an die Klägerin Ziff. 1 und den Kläger Ziff. 2 - bewilligte die Beklagte den Klägern 532,00 € für den Monat Juli 2008 aufgrund des Einkommens aus der Selbstständigkeit der Klägerin Ziff. 1.

Auf den Antrag vom 2. Juli 2008 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 in Höhe von 632,00 € monatlich. Im Hinblick auf das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erfolgte die Bewilligung vorläufig.

Am 10. Juli 2008 sprach ein Herr A. G. (im Folgenden Z) bei der Beklagten vor und teilte mit, er habe die Klägerin Ziff. 1 im November 2007 in einem Bordell in B. kennen gelernt, sie aus der Prostitution herausgeholt und mit ihr zum 1. April 2008 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und einen Massagesalon in B., F.-Straße , gegründet. Die Klägerin Ziff. 1 habe auch bei ihm gewohnt. Er habe der Klägerin Ziff. 1 von November 2007 ab ca. 32.000,00 € in kleineren Beträgen ausgehändigt. Die Klägerin Ziff. 1 baue in Thailand ein Haus. Er sei zusammen mit der Klägerin Ziff. 1 vom 30. April bis 12. Mai 2008 in Thailand gewesen und habe sie dort - in Deutschland nicht anerkannt - geheiratet. Z händigte verschiedene Unterlagen, u.a. eine Meldebestätigung der Stadt B. über die Anmeldung der Klägerin Ziff. 1 seit dem 1. April 2008 in die H.-Straße mit Hauptwohnung, eine Gewerbeanmeldung der Klägerin Ziff. 1 und des Z in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts namens “S. d. - traditionelle Thaimassage und Wellness„, und den Gesellschaftsvertrag vom 28. März 2008, der Beklagten aus. Der Kläger Ziff. 2 fungiere als eine Art Zuhälter, die Klägerin Ziff. 1 gehe weiter der Prostitution nach.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Juli 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Ziff. 2 vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 351,00 € monatlich. Mit Bescheid vom 14. Juli 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Klägerin Ziff. 1 ab 1. August 2008 ganz auf, da die Klägerin umgezogen sei und mit Z in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft stehe. Auch sei ein anderer Träger nunmehr zuständig. Am 14. August 2008 erhob die Klägerin Ziff. 1 hiergegen Widersp...

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