Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Fortsetzungsfeststellungsklage. Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts. Ablauf eines befristeten Hausverbots. berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Wiederholungsgefahr. Rechtmäßigkeit des Hausverbots
Orientierungssatz
1. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl BSG vom 14.2.2013, B 14 AS 195/11 R = BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2, RdNr 16).
2. Zur Rechtmäßigkeit eines durch den Grundsicherungsträger gegenüber einem Leistungsberechtigten wegen Bedrohung eines Mitarbeiters ausgesprochenen Hausverbots.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ein vom Beklagten verhängtes Hausverbot.
Die 1979 geborene Klägerin, die an einem Borderline -Syndrom leidet und sich in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung wegen (Mann-zu-Frau)Transsexualität befindet (Arztbrief K vom 20.08.2020), stand bis Ende 2021 im Leistungsbezug beim Beklagten. Am 14.10.2020 teilte die Klägerin in einer E-Mail an die zuständige Fallmanagerin mit, dass sie mit dieser keinen persönlichen Kontakt mehr wolle und auch nicht für deren Sicherheit garantieren könne, wenn sie sie persönlich sehe. Das letzte was sie wolle, sei körperlich auf sie oder sonst wen loszugehen. Sie forderte die Fallmanagerin auf, den übergebenen Ordner mit Unterlagen an der Rezeption des Jobcenters zu hinterlegen.
Die Klägerin sprach am 20.10.2020 ohne vorherige Terminvereinbarung in den Amtsräumen des Beklagten vor und forderte vom dortigen Mitarbeiter des Security-Dienstes, Herrn Y, nachdrücklich die sofortige Aushändigung des Ordners, wobei sie nach Aussagen des Mitarbeiters in Teilen sehr bedrohlich wirkte. Die Klägerin betonte auch nochmals gegenüber dem Mitarbeiter, sie wolle auf keinen Fall ihre Fallmanagerin persönlich treffen, weil sie dann für nichts garantieren könne.
Mit Bescheid vom 03.11.2020 erteilte der Beklagte der Klägerin aufgrund dieses Vorfalls mit sofortiger Wirkung ein für die Dauer von zwölf Monaten befristetes Hausverbot. Die Klägerin habe bei der Vorsprache sehr bedrohlich und ungehalten gewirkt und Deeskalationsbemühungen ignoriert. Ein solches bedrohliches Verhalten wolle man nicht dulden. Die Dienstleistungen des Beklagten blieben der Klägerin insoweit erhalten, als sie bei schriftlicher Einladung bzw. nach telefonischer Terminabsprache berechtigt sei, das Haus zu betreten. Sie könne sich auch selbst schriftlich oder telefonisch an den Beklagten wenden. Die sofortige Vollziehung des Hausverbotes wurde angeordnet.
Die Klägerin nahm hierzu in einem sehr ausführlich gehaltenen Schreiben, Eingang beim Beklagten am 24.11.2020, Stellung und legte, anwaltlich vertreten, Widerspruch ein. Sie trug vor, dass der Beklagte grundsätzlich erreichbar sein müsse, um bei ihm Anträge und Rechtsmittel einlegen zu können, ggf. auch im Wege mündlicher Vorsprachen. Verbale Aggressionen in einem Streitgespräch würden kein Hausverbot rechtfertigen. Sie kündige oft die Gefahr einer Selbstverletzung an; dies stelle aber niemals eine Bedrohung gegenüber einem Dritten dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.12.2020 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und vorgetragen, dass nicht zu erkennen sei, dass sie den Ablauf so gestört habe, dass ein Hausverbot ausgesprochen werden müsse. Eine Störung des Hausfriedens, die ein Hausverbot rechtfertige, liege erst bei Gewalttätigkeit oder Bedrohung vor; beides sei nicht gegeben. Der Beklagte hat ausgeführt, eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes und eine Gefährdung der Sicherheit einer Mitarbeiterin des Beklagten sei bereits durch die schriftlich formulierte Bedrohung per E-Mail vom 14.10.2020 und sodann durch die wiederholt mündlich ausgesprochene Bedrohung, gepaart mit einem aggressiven Verhalten bei der Übergabe des Ordners vor dem Gebäude des Beklagten am 15.10.2020, gegeben gewesen.
Am 19.12.2020 hat die Klägerin einen Eilantrag beim SG gestellt (Az. S 17 AS 146/21 ER), den dieses mit Beschluss vom 05.02.2021 abgelehnt hat. Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 25.03.2021 (Az. L 12 AS 846/21 ER-B) zurückgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2021 hat das SG nach vorheriger Anhörung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es habe eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebs vorgelegen. Denn die Klägerin habe in einer an ihre Fallmanagerin gerichteten E-Mail vom 14.10.2020 gedroht und mitgeteilt, nicht für deren Sicherheit garantieren zu können, wenn sie si...