Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Elterngeld. Adoptionspflege. Widerruf der Einwilligung durch die Eltern. Unterschied zwischen Pflegeeltern und Adoptionspflegeeltern. Gleichheitssatz. Schutz der Familie. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überwiegen des öffentlichen Interesses an Rücknahme von Dauerverwaltungsakten
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Elterngeld für ein Kind, das mit dem Ziel der Annahme als Kind in den Haushalt aufgenommen wird, besteht nur, wenn und solange eine sog Adoptionspflege (§ 1744 BGB) vorliegt.
Orientierungssatz
1. § 1 Abs 3 Nr 1 BEEG ist nicht dahingehend auszulegen, dass es allein auf die rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes in den Haushalt ankommt.
2. Die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Pflegeeltern ohne eigenes Sorgerecht und Adoptionspflegeeltern verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG oder Art 6 Abs 1 GG.
3. Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung besteht generell ein erhöhtes Rücknahmeinteresse (vgl BSG vom 25.6.1986 - 9a RVg 2/84 = BSGE 60, 147 = SozR 1300 § 45 Nr 24).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme einer Elterngeldbewilligung für den fünften bis zwölften Betreuungsmonat.
Die 1970 geborene Klägerin ist verheiratet und nahm den 2012 geborenen D. W. (im Folgenden D) am Tag seiner Geburt in Adoptionspflege (Bescheinigung Kreisjugendamt des Landkreises K. vom 26.10.2012). Unterhaltszahlungen erhielten die Klägerin und ihr Ehemann hierfür vom Jugendamt nicht.
Am 27.11.2012 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Betreuungsmonat von D (25.10.2012 bis 24.10.2013). Am 17.12.2012 nahm die Mutter von D ihre Einwilligung in die Freigabe zur Adoption zurück, die Adoptionspflege der Klägerin wurde zum 17.12.2012 daraufhin in eine Bereitschaftspflege umgewandelt. Die Klägerin legte hierüber der Beklagten eine Bescheinigung des Jugendamts vom 28.12.2012 vor. Ab 17.12.2012 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann für die Bereitschaftspflege nach §§ 27, 33 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) Pflegegeld, im Dezember anteilig iHv 272,00 €, ab 01.01.2013 iHv 575,00 € und ab 01.02.2013 iHv 759,00 € monatlich. D lebt seit seiner Geburt durchgehend in der Familie der Klägerin.
Mit Bescheid vom 11.01.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den ersten Betreuungsmonat iHv 1.114,58 € unter Anrechnung des im Oktober noch bezogenen Erwerbseinkommens der Klägerin und für den zweiten bis zwölften Betreuungsmonat iHv monatlich 1.288,28 € für das angenommene Kind D.
Am 29.01.2013 meldete sich der Ehemann der Klägerin telefonisch bei der Beklagten und äußerte Zweifel, ob die Klägerin Elterngeld zu Recht bekomme, da die Adoptionspflege in Bereitschaftspflege umgewandelt worden sei. Mit Bescheid vom 30.01.2013 hob die Beklagte daraufhin den Bewilligungsbescheid ab dem zweiten Betreuungsmonat auf, da die Voraussetzungen für den Elterngeldanspruch ab dem 17.12.2012 nicht mehr erfüllt seien. Anspruch auf Elterngeld habe nur, wer mit einem leiblichen Kind, mit einem Kind, das die berechtigte Person mit dem Ziel der Adoption aufgenommen habe oder mit einem Kind des Ehegatten oder Lebenspartners in einem Haushalt lebe.
Mit ihrem Widerspruch vom 18.02.2013 machte die Klägerin geltend, dass am 17.12.2012 nur eine Statusänderung eingetreten sei. Der Gesetzgeber stelle auf den tatsächlichen und nicht den rechtlichen Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes ab. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in den Haushalt habe sie die Voraussetzungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) erfüllt, da sich das Kind damals bei ihr in Adoptivpflege mit dem Ziel zur Adoption befunden habe.
Mit Änderungsbescheid vom 08.03.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den zweiten Betreuungsmonat wieder Elterngeld iHv 1.288,28 €. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 22.04.2013 bewilligte sie auch für den dritten und vierten Betreuungsmonat (25.12.2012 bis 24.02.2013) wieder Elterngeld iHv jeweils 1.288,28 €, da die Klägerin Vertrauensschutz gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) genieße.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 29.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2013 im Übrigen zurück. Der Gesetzgeber habe eine Adoptionspflege als Voraussetzung für den Elterngeldbezug festgesetzt. Ihm komme im Bereich der Familienförderung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Eine Verletzung von Artikel 6 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Mit dem Ende des Adoptionspflegeverhältnisses habe auch der Anspruch auf das Elterngeld geendet. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid sei deswegen von Anfang an rechtswidrig gewesen. Eine Rücknahme sei zulässig. Hierbei werde davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Vermögensdispositionen getroffen habe, die sie nicht mehr rückgängig machen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei die Aufh...