Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG. einmalige Einnahme. Zweckbestimmung. Abgrenzung zum Eigengeld nach § 83 StVollzG. Verteilzeitraum
Leitsatz (amtlich)
Bei Entlassung aus der Strafhaft gezahltes Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG ist als Einkommen iS von § 11 SGB 2 zu berücksichtigen. Die einmalige Einnahme ist jedoch gemäß dem Gesetzeszweck des § 51 StVollzG nur für die ersten vier Wochen nach der Entlassung als Einkommen zu berücksichtigen und nicht nach § 2 Abs 4 S 3 AlgIIV 2008 auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen.
Orientierungssatz
1. Das Überbrückungsgeld ist nicht von der Einkommensberücksichtigung nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 ausgenommen, denn es handelt sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme, die einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Zweck des Überbrückungsgeldes nach § 51 StVollzG ist die Sicherung des Lebensunterhaltes und somit besteht Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB 2.
2. Sofern ein Strafgefangener Eigengeld iS von § 83 StVollzG in größerem Umfang angesammelt hat, bestehen keine Bedenken, derartige Beträge bei Haftentlassung auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von den für Juli und August 2008 noch zu erbringenden Leistungen die bereits für diesen Zeitraum gewährten Leistungen in Abzug zu bringen sind.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), insbesondere die Frage der Anrechnung von Einkommen.
Dem 1977 geborenen Kläger wurden bei seiner Haftentlassung am 3. Juni 2008 1.366,13 € ausgezahlt, davon 1.075,27 € Überbrückungsgeld nach § 51 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Strafvollzugsgesetz - StVollzG). Vom 3. Juni bis 22. September 2008 führte der Kläger eine stationäre Behandlung wegen einer Suchterkrankung im Therapiezentrum M. durch, bei welcher er voll verpflegt wurde.
Am 5. Juni 2008 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Beklagte, welche mit dem Landkreis K. keine Arbeitsgemeinschaft gegründet hat, bewilligte ihm mit Bescheid vom 20. Juni 2008 vorläufig für die Zeit vom 5. bis 30. Juni 2008 30,17 € und für Juli bis September 2008 monatlich jeweils 37,41 €. Hierbei ging die Beklagte von der Regelleistung von 347,00 € bzw. ab Juli von 351,00 € aus und bewertete das Überbrückungsgeld als anrechenbares Einkommen, welches sie auf fünf Monate verteilte und daraus unter Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 € im Juni anteilig 173,33 € und in den Folgemonaten jeweils 170,00 € anrechnete. Weiter rechnete sie die Naturalverpflegung im Therapiezentrum als Einkommen an in Höhe von monatlich 121,45 €. Zusätzlich rechnete sie Einkommen von weiteren 20,47 € an, weil auch Strom und Warmwasser, welches der Kläger während der Therapie in natura erhalte, Einkommen sei. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete die Beklagte damit, dass der genaue Termin für die Entlassung aus der Therapie noch nicht feststehe.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er am 24. Juni 2008 1.000,00 € zur Schuldentilgung verwendet habe und legte hierzu einen Überweisungsbeleg vor. Ferner wandte er sich gegen die Anrechnung der Naturalverpflegung und der Versorgung mit Strom und Wasser während der Therapie als Einkommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Überbrückungsgeld sei als einmalige Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) auf einen angemessenen Zeitraum verteilt ab dem Zuflussmonat Juni 2008 anzurechnen. Die Verteilung auf einen Zeitraum von fünf Monaten und sich daraus ergebende Anrechnung von monatlich 200,00 € (im Juni 2008 anteilig 173,33 €) sei nicht zu beanstanden. Ob der Kläger die erhaltene Summe zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwendet habe, sei für die Anrechnung irrelevant. Es sei nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die privaten Verbindlichkeiten der Leistungsempfänger zu tilgen. Schulden seien bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Weiter sei, da der Kläger stationär im Therapiezentrum M. untergebracht sei, Einkommen in Höhe von insgesamt 143,59 € monatlich für ersparte Aufwendungen für Verpflegung, Warmwasser und Haushaltsstrom anzurechnen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 21. Oktober 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage. Er verweist darauf, dass das Bundessozialgericht (BSG...