Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. Rückstellungen. Stützungsbedarf. Umsatz. Abschöpfung von Honorarzuwächsen; Ausgleichszahlungen; Konvergenzvereinbarung; Regelleistungsvolumina; Honorarverteilungsvereinbarung; Honorarverteilungsgerechtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Erleiden Vertragsärzte im Zusammenhang mit der Einführung arzt- und praxisbezogener Regelleistungsvolumina überproportionale Honorarverluste, können diese mit Rückstellungen nach § 87b Abs. 3 S. 5 SGB V ausgeglichen werden. Ausgeschlossen ist hingegen die Finanzierung der Ausgleichszahlungen durch die Abschöpfung von Honorarzuwächsen anderer Vertragsärzte.
Normenkette
SGB V § 87a Abs. 2, § 87b Abs. 2, 3 S. 5, Abs. 4
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 12.832,64 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen Honorarkürzungen auf Grundlage der am 09.11.2009 mit Wirkung zum 01.01.2009 zwischen der Beklagten und den Krankenkassen abgeschlossenen “Vereinbarung über Verfahrensregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten, bedingt durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009„ (Konvergenzvereinbarung).
Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal II/2009 kürzte die Beklagte den Honoraranspruch der Klägerin in Anwendung der Konvergenzvereinbarung um einen Betrag in Höhe von 6.077,92 €, im Quartal III/2009 um einen Betrag in Höhe von 6.754,72 € zur Finanzierung von Ausgleichsleistungen an Ärzte mit überproportionalen Honorarverlusten.
Ausgangpunkt für den Erlass der Konvergenzvereinbarung war die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung (NVV) durch Einführung der ab dem 01.01.2009 geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V sowie die nach § 87b Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- (in der ab dem 01.04.2007 geltenden Fassung des GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl I, S. 378) vom Bewertungsausschuss festzulegenden arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina -RLV-, die der Gesetzgeber zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis vorgenommen hat. Ein RLV ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist (§ 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist mit abgestaffelten Preisen zu vergüten (§ 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V). Der Gesetzgeber hat dem Bewertungsausschuss vorgegeben, die Werte für die RLV morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen (§ 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ferner war bei der Bestimmung der RLV die Summe der für einen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 87a Abs. 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu berücksichtigen (§ 87b Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 SGB V). Der Bewertungsausschuss hatte erstmalig bis zum 31.08.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV und dabei Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen u.a. zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten (§ 87b Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V) zu bestimmen.
Entsprechende bundeseinheitliche Vorgaben erließ der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) in seinem Grundsatzbeschluss zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 27./28.08.2008. In Teil F dieses Beschlusses legte der EBA unter Ziff. 3.7 (Bl. 69 Senatsakte) zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste Folgendes fest:
“Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, können die Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge.„
In Teil G des Beschlusses legte der EBA die Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Abs. 3 Satz 5 SGB V fest. Diese lauten:
“1. Von der Summe der für den Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung nach § 87a Abs. 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen werden Anteile für die Bildung von Rückstellungen verwendet:
- zur Berücks...