Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungszulassung. Rechtsstreit um Feststellung einer Klagerücknahmefiktion. Bestimmung des Gegenstandswerts. ursprüngliches Klagebegehren
Leitsatz (amtlich)
Bei Verfahren, in denen die gerichtliche Feststellung einer Klagerücknahmefiktion (§ 102 Abs 2 S 1 SGG) im Streit ist, bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Streitgegenstand des ursprünglichen Klagebegehrens.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn, das Verfahren sei durch fiktive Rücknahme der Klage beendet.
Die 1975 geborene Klägerin steht im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Am 11.01.2010 erging ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem der Bewilligungsbescheid vom 06.06.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2009 bis 30.09.2009 aufgehoben wurde mit der Begründung, die Klägerin habe während dieses Zeitraums Einkommen aus einer Beschäftigung erzielt und sei deshalb nicht mehr hilfebedürftig. Es ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 359 €.
Im Rahmen eines hier nicht streitgegenständlichen Widerspruchsverfahrens legte der Klägerbevollmächtigte eine Vollmacht vor, die von der Klägerin am 28.08.2014 unterzeichnet wurde und worin dem Rechtsanwalt in Sachen M. gegen JC S. wegen sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche Vollmacht erteilt wird. Diese gelte sowohl für das Verwaltungs-, das Widerspruchs- als auch das gerichtliche Verfahren in sämtlichen Instanzen. Die Vollmacht erstrecke sich auf sämtliche auch zukünftige Verfahren, insbesondere auch für die Führung von Untätigkeitsklagen. Der Rechtsanwalt werde mit der Führung sämtlicher Widerspruchs- und Klageverfahren beauftragt, die nach seiner Auffassung erfolgversprechend seien. Er sei darüber hinaus befugt, gegenüber der genannten Behörde sämtliche Anträge zu stellen.
Der Beklagte wies den Klägerbevollmächtigten im Rahmen weiterer Widerspruchsverfahren darauf hin, diese Vollmacht als Generalvollmacht nicht zu akzeptieren, sondern für jeden Widerspruch eine eigene Vollmacht zu verlangen.
Mit Schreiben vom 07.11.2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 11.01.2010 und der dazu bereits ergangenen Änderungsbescheide. Der Überprüfungsantrag werde auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt.
Eine Vollmacht für diesen Überprüfungsantrag fügte der Klägerbevollmächtigte nicht bei. Mit Schreiben vom 07.11.2014 bat der Beklagte im Rahmen weiterer Überprüfungsanträge um Übersendung einer Vollmacht. Eine Verbescheidung des Antrags erfolgte nicht.
Am 19.05.2015 erhob der Klägerbevollmächtigte Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, der Beklagte habe über den Antrag in der Frist des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entschieden (S 6 AS 1658/15).
Das SG forderte den Klägerbevollmächtigten auf, eine Vollmacht vorzulegen, und erinnerte ihn hieran mit Schreiben vom 03.08.2015, 23.09.2015 und 21.10.2015. Mit Schreiben vom 17.11.2015 wies das Gericht darauf hin, dass die Klage gemäß § 102 SGG als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben werde. Dieses Schreiben wurde dem Klägerbevollmächtigten am 19.11.2015 zugestellt. Am 29.01.2016 teilte dieser mit, dass es vorerst bei der anliegenden Generalvollmacht verbleibe. Er werde sich bemühen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, eine auf den Einzelfall bezogene Vollmacht von der Klägerin zu beschaffen. Jedoch sei die Generalvollmacht ausreichend. Aus den §§ 164 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehe hervor, dass eine Vollmacht für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften erteilt werden könne. So sehe etwa § 168 Satz 2 BGB die Möglichkeit eines Widerrufs für die Zukunft vor. Diese Regelung ergäbe ohne die Möglichkeit einer generellen Vollmacht nur wenig Sinn. Aus der vorliegenden Vollmacht gehe hervor, dass diese wegen sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche erteilt werde und auch für das Widerspruchs- und Klageverfahren.
Am 24.02.2016 teilte das SG dem Klägerbevollmächtigten mit, die Klage in dem Verfahren S 6 AS 1658/15 gelte nach § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen.
Der Klägerbevollmächtigte hat nunmehr mit Schreiben vom 16.06.2016 beantragt, das Verfahren fortzuführen, da das Gericht nicht berechtigt gewesen sei, von der Klägerin eine einzelfallbezogene Vollmacht anzufordern. Mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2017, der dem Klägerbevollmächtigten am 09.02.2017 zugestellt worden ist, hat das SG festgestellt, dass das Klageverfahren S 6 AS 1658/15 durch Rücknahme erledigt sei. Diesem Gerichtsbescheid war die Rechtsmittelbelehrung angefügt, er könne mit der Berufung angefochten werden.
Am 13.03.2017 hat der Klägerbevollmächtigte beim SG mündlic...