Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde über Nichtzulassung der Berufung. Divergenz. Vorliegen eines tragenden Rechtssatzes. fallübergreifende rechtliche Aussage. Aufstellung eines abweichenden Rechtssatzes. bewusste Abweichung erforderlich
Leitsatz (amtlich)
1. Ein tragender Rechtssatz iS des § 144 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage vor (Anschluss an BSG vom 1.12.2017 - B 11 AL 66/17 B = juris).
2. Für die Annahme einer Divergenz genügt es nicht, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die die in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt haben oder wenn das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, die Rechtsprechung der genannten Gerichte nicht gekannt hat, übersehen oder verkannt hat.
3. Erforderlich ist vielmehr, dass das Gericht bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Die Begründung des Gerichts muss erkennen lassen, dass es den in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichten widersprochen und von deren rechtlichen Aussagen abweichende, das heißt mit diesen unvereinbare, rechtliche Maßstäbe aufgestellt hat (Anschluss an BSG vom 23.6.2015 - B 14 AS 345/14 B = juris RdNr 3, 5).
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem
Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.09.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Aufwendungen für ein durchgeführtes Widerspruchsverfahren streitig.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 17.05.2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.06.2020 bis zum 31.05.2021 und mit Änderungsbescheid vom 04.06.2020 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.06.2020 bis zum 31.01.2021 sowie mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.05.2021, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020. Hiergegen erhob die Klägerin die unter dem Aktenzeichen S 14 AS 4125/20 geführte Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn. Sodann bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 05.02.2021 höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.03.2021.
Am 16.02.2021 gingen beim Beklagten von der Klägerin eingereichte Verbrauchsabrechnungen für Strom ein.
In dem im Erörterungstermin vom 17.02.2021 vor dem SG Heilbronn in dem unter dem Aktenzeichen S 14 AS 4125/20 anhängig gewesenen Verfahren geschlossenen Vergleich einigten sich die Beteiligten darauf, dass der Beklagte der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020, 04.06.2020 sowie 21.11.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2020 höhere Kosten der Unterkunft in Form von Heizkosten unter Berücksichtigung eines monatlichen Abschlages in Höhe von 160,00 € unter anderem für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021 bewillige. In dem Vergleich wurde ferner ausgeführt, dass die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten und der Beklagte das Recht habe, diesen Vergleich bis zum 03.03.2021 schriftlich gegenüber dem Gericht zu widerrufen. Anschließend erklärte die Klägerin im Rahmen dieses Erörterungstermins alle Widerspruchsverfahren betreffend die streitgegenständlichen Zeiträume für erledigt.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 19.02.2021 in Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020 und 05.02.2021 um 112,11 € monatlich höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021. Er führte zur Begründung aus, der Heizkostenabschlag sei in angemessener Höhe in die Berechnung aufgenommen worden. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausgeführt, gegen diesen Bescheid könne Widerspruch erhoben werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 16.03.2021 mit der Begründung Widerspruch ein, der Beklagte habe sich am 17.02.2021 verpflichtet, Heizkosten in Höhe von monatlich 160,00 € zu gewähren.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 18.03.2021 in Abänderung der Bescheide vom 17.05.2020, 21.11.2020, 05.02.2021 und 19.02.2021 um 47,89 € monatlich höhere Leistungen für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.05.2021. Er führte zur Begründung aus, es würden Heizkosten in Höhe von 160,00 € monatlich berücksichtigt. Dieser Bescheid ergehe in Ausführung des Vergleichs vom 17.02.2021.
Sodann führte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2021 aus, sie gehe davon aus, dass dem Widerspruch abgeholfen worden sei, weswegen sie ihre Kostennote über 380,80 € beifügte.
Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2021 als unzulässig. Die im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls entstandenen notwendigen Aufwendungen inklusive der durch die Bevollmächtigung entstandenen würden nicht erstattet. Er führte zur Begründung aus, die Klägerin habe am 17.02.2021 alle Widerspruchsverfahren für die streitgegenständlic...