Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten. Rückgriff auf Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. fehlender Nachweis der Heizkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erhebung im Umfang von unter 4 % des Wohnungsbestandes ist keine ausreichende Datengrundlage für ein schlüssiges Konzept.
2. Wenn ein Konzept nicht mehr schlüssig gemacht werden kann, ist auf die Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG plus einem Aufschlag von 10 % zurückzugreifen (im Anschluss an BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 73).
3. Ohne Nachweis der tatsächlichen Heizkosten ist bei einer pauschalierten Berechnung durch den Beklagten auch nicht "sicherheitshalber" auf die sich nach dem bundesweiten Heizspiegel ergebenden (höheren) Werte abzustellen.
4. Es ist eine Obliegenheit der Kläger, während eines Rechtsstreits über die Kosten der Unterkunft und Heizung die entsprechenden Unterlagen aufzubewahren und auf Verlangen Nachweise über die tatsächlichen Kosten zu erbringen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 8. August 2011 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier in der Zeit vom 01.10.2009. bis 31.03.2010.
Die geb. Klägerin zu 1. ist die Ehefrau des 1982 geborenen M. A., der als Student Leistungen nach dem BAföG bezieht. Die Eheleute leben gemeinsam mit dem am 14.12.2007 geborenen Sohn I., dem Kläger zu 2., und der am 03.07.2009 geborenen Tochter M., der Klägerin zu 3. Die Kläger zu 1. bis 3. erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; der Ehemann ist als Student vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Bis Mitte April 2009 wohnten die Kläger in 79114 F. und bezogen Leistungen von der ARGE F.. Wegen der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. wurde die dortige Wohnung zu klein. Die ARGE F. bestätigte die Notwendigkeit des Auszugs. Nachdem die Familie keine passende Wohnung in F. gefunden hatte, wurde der Umzug in das ca. 10 km entfernt liegende M. (ca 8.700 Einwohner) erwogen. Die ARGE F. beteiligte den Beklagten hinsichtlich einer Zusicherung zum Umzug. Diese wurde nicht erteilt, weil die Wohnung nicht angemessen sei (E-Mail vom 25.02.2009, Bl. 2 f VA). Am 15.04.2009 zog die Familie dennoch in die W., 7. M. um. Bei der Wohnung handelt es sich um eine 4-Zimmer-Wohnung mit 85,75 m2 , Baujahr 1984. Die Kaltmiete beträgt 680 €, hinzu kommen Kosten in Höhe von 20 € für einen Stellplatz und Nebenkosten in Höhe von 210 €, worin die Kosten für Heizung und Warmwasser [Sammelheizung mit Strom] sowie Kosten in Höhe von 5 € für den Betrieb der Gemeinschaftsantenne/Satellitenanlage enthalten sind. Kosten für einen Kabelanschluss sind in der Miete nicht enthalten, ein Kabelanschluss besteht nicht (Bl. 135 VA). Die Gesamtmiete warm beträgt demnach 910 €.
Für den vorhergehenden Zeitraum vom 15.04. bis 30.09.2009 bewilligte der Beklagte für die Antragsteller Arbeitslosengeld (Alg) II und Sozialgeld mit Bescheid vom 08.04.2009 und mehreren Änderungsbescheiden (vom 19.08.2009, 12.01.2010 und 25.05.2011) Für die nach dem Kopfteilsprinzip anteilig gewährten KdU und Heizung ging er - nachdem er vorher noch von einer Kabelgebühr und einer geringeren Mietobergrenze ausgegangen war - letztlich von angemessenen Wohnkosten in Höhe von insgesamt 713,38 € aus, die sich aus der Mietobergrenze nach dem ab 01.05.2009 in Kraft getretenen neuen Konzept von 519,30 €, pauschalen Heizkosten von 86 € abzüglich einer Warmwasserpauschale von 15,92 € sowie kalten Nebenkosten von 124 € zusammensetzten. Der Widerspruch, mit dem die tatsächlichen Kosten in Höhe von 910 € begehrt wurden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.02.2010). Die dagegen vor dem Sozialgericht F. (SG) geführte Klage blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 08.08.2011 - S 7 AS 1218/10). Die Berufung ist im Senat unter dem Az. L 2 AS 3878/11 anhängig (Parallelrechtsstreit wegen vorherigem Zeitraum).
Am 14.09.2009 beantragten die Kläger unter nicht geänderten Bedingungen hinsichtlich der Wohnkosten die Fortzahlung des Alg II (Bl. 97 VA). Mit Bescheid vom 23.09.2009 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 weiter. Hinsichtlich der KdU und Heizung bewilligte er 175,95 € für die Klägerin zu 1. und für die Kläger zu 2. und 3. je 175,96 € monatlich. Hierbei ging der Beklagte zunächst noch davon aus, dass eine nicht zu berücksichtigende Kabelanschlussgebühr in Höhe von 5,11 € im Mietpreis enthalten sei. Gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum wurde eine auf 20,36 € erhöhte Warmwasserpauschale von den pauschalierten Heizkosten in Höhe von 86 € in Abzug gebracht (Heizkosten 65,64 € vgl. B...