Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Sparanlagen und Genossenschaftsanteile. keine Rückgabeverpflichtung nach § 529 BGB. keine Ausstattung iS des § 1624 BGB. vermeintlicher Rückübertragungsanspruch. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften. kein Schonvermögen. Verwertbarkeit. Darlehen. Verwertungshindernis
Orientierungssatz
1. Sparanlagen und Genossenschaftsanteile von Banken sowie die auf die Genossenschaftsanteile entfallenden Vermögensbestandteile sind Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB 2.
2. Ein Hilfebedürftiger ist nach den Regelungen des Schenkungsrechts gem § 528 BGB nicht verpflichtet, die Geschäftsanteile nach § 529 Abs 1 und 2 BGB wieder an seine Eltern herauszugeben.
3. Bei den Geschäftsanteilen handelt es sich nicht um eine Ausstattung iS des § 1624 BGB. Ausstattung in diesem Sinne ist alles, was einem Kind von dem Vater oder der Mutter zwecks Heirat oder zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung, zum Zweck der Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung zugewendet wird. Rechtsgrund der Ausstattung ist keine Schenkung, sondern eine "causa sui generis". Eine Ausstattung zeichnet sich dadurch aus, dass sie für den Empfänger grds behaltensfest ist, also grds nicht mehr zurückgegeben werden muss.
4. Zum Vorliegen eines vermeintlichen Rückübertragungsanspruchs der Eltern.
5. Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund darauf abzielen, trotz eigenen Vermögens oder eigener Einkunftsmöglichkeiten zu Ansprüchen auf Sozialhilfe zu gelangen, sind grds als sittenwidrig einzustufen und nach § 138 Abs 1 BGB nichtig (vgl OLG Frankfurt vom 22.6.2004 - 20 W 332/03 = FamRZ 2005, 60).
6. Sparguthaben und Genossenschaftsanteile stellen kein Schonvermögen iS des § 12 Abs 3 S 1 SGB 2 aF dar.
7. Zur Frage der Verwertbarkeit von Vermögensgegenständen.
8. Für eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs 5 S 1 SGB 2 aF reicht es nicht aus, dass dem Hilfebedürftigen Vermögen zusteht und in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob der Berechtigte einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können. Vielmehr liegt eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB 2 vor, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt (vgl BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 12).
9. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden. Für diesen Bewilligungszeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Ausnahmen von der abschnittsweisen Prüfung für jeden Bewilligungszeitraum sind etwa denkbar, wenn die Verwertbarkeit zu einem bestimmten kalendermäßig ablaufenden Datum eintritt. (vgl BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R aaO).
10. Als Möglichkeit der Verwertung von dinglich gesicherten Forderungen kommen grds auch deren Umwandlung in Geld durch Verkauf oder die Beleihung dieser Forderungen gegen Aufnahme eines Darlehens in Betracht (vgl BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R). Diese Überlegung bleibt nicht nur auf dinglich gesicherte Forderungen beschränkt. Bei der Frage der Verwertbarkeit muss auch berücksichtigt werden, ob der Vermögensgegenstand - hier die Genossenschaftsanteile - auch vor Auszahlung des Geschäftsguthabens infolge einer Kündigung der Mitgliedschaft verwertet werden kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 ein Anspruch gegen die Beklagte auf die zuschussweise statt einer darlehensweisen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II zusteht.
Die ursprünglich verheirateten Eltern der 1991 geborenen Klägerin und deren Schwester (geb. 1998) kauften 1995 bzw. 2000 auf den Namen ihrer Töchter Genossenschaftsanteile an der X-bank Ba./R. e.G. und der X-bank K. e.G. Im streitigen Zeitraum hatten die Genossenschaftsanteile der Klägerin einen Wert von 2.600,00 Euro (X-bank Ba./R.) bzw. 3.000,00 Euro (X-bank K.). Die Klägerin verfügte des weiteren im streitigen Zeitraum über Sparvermögen in Höhe von 338,26 Euro (X-bank Ba./R.) und 354,43 Euro (X-bank K.).
Mit Scheidungsurteil vom 10. November 2005 wurde die Ehe der Eltern der Klägerin geschieden. In einer Gesamtvereinbarung wurde der Mutter der Klägerin mit den Kindern ein kostenfreies Wohnrecht in der dem Vater der Klägerin gehörenden Wohnung für die Zeit bis 31. Dezember 2015 zuerkannt.
Am 6. Februar 2006 beantragte die Mutter der Klägerin für sich, ...