Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. kostenlose Verpflegung bei vollstationärem Krankenhausaufenthalt. Nichtberücksichtigung als Einkommen oder als sonstige Hilfe eines anderen Sozialleistungsträgers. zweckbestimmte Einnahme. Wertungswiderspruch zwischen Zuzahlungspflicht nach § 39 Abs 4 S 1 SGB 5 bzw § 32 Abs 1 SGB 6 und Anrechnung der kostenlosen Verpflegung als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung ist weder eine Hilfe iSd § 9 Abs. 1 SGB II, die der Hilfebedürftige von einem Träger anderer Sozialleistungen (Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger) erhalten hat, noch handelt es sich dabei um Einkommen (in der Form der Sachleistung) iSd § 11 SGB II.
Orientierungssatz
1. Die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung stellt einen untrennbaren Bestandteil der Krankenhausbehandlung gem § 39 Abs 1 S 3 SGB 5 bzw Leistung der medizinischen Rehabilitation gem § 15 Abs 2 S 1 und 3 SGB 6 dar und ist nicht als hiervon gesondert zu betrachtende Leistung anzusehen.
2. Die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung stellt - selbst bei Annahme einer marktwerten Sachleistung - jedenfalls eine zweckbestimmte Einnahme gem § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 dar und ist damit nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
3. Zum Vorliegen eines Wertungswiderspruchs hinsichtlich der bestehenden Zuzahlungspflicht der Hilfebedürftigen gem § 39 Abs 4 S 1 SGB 5 bzw § 32 Abs 1 SGB 6, wenn die kostenlose Verpflegung bei vollstationärer Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung als Einkommen auf die Regelleistung angerechnet wird.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die dem Kläger bewilligte Regelleistung nachträglich jeweils anteilig für Zeiten des Krankenhausaufenthalts bzw. der medizinischen Rehabilitation um den Wert der dabei bezogenen Vollverpflegung in Höhe von 35 % der Regelleistung gekürzt hat.
Der 1949 geborene Kläger und seine 1949 geborene Ehefrau beziehen von dem Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 25.02.2006 wurden den Eheleuten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.06 bis 31.08.06 bewilligt, und zwar für März 2006 in Höhe von 626,87 € und für die Monate ab April 2006 in Höhe von 689,47 €. Die monatlichen Leistungen setzen sich zusammen aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) von 611 € (2x 311 €) und Kosten für Unterkunft und Heizung.
Vom 20.04. bis 04.05.2006 befand sich der Kläger in vollstationärer Krankenhausbehandlung im Klinikum in O.. Hierfür zahlte er einen Eigenanteil gemäß § 39 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in Höhe von 150,00 € (15 Tage á 10 €) an die Klinik. Nachdem der Beklagte vom Krankenhausaufenthalt des Klägers Kenntnis erhalten hatte, erließ er - ohne den Kläger vorher anzuhören - den Bescheid vom 16.05.2006. Darin kürzte er die dem Kläger bewilligte Regelleistung um 48 €. Zur Begründung führte er aus, die Regelleistung gemäß § 20 SGB II habe während des Krankenhausaufenthaltes (Einlieferungs- und Entlasstag nicht mitgerechnet) um 35 % gekürzt werden müssen, da der Kläger im Krankenhaus Vollverpflegung erhalten habe. Für den Zeitraum von 13 Tagen ergebe sich eine Kürzung von 48,00 €. Dieser Betrag werde der Einfachheit halber direkt an der ihm zustehenden Hilfe für Juni in Abzug gebracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.06.2005 Widerspruch ein.
In der Zeit vom 09.05. bis 30.05.2006 befand sich der Kläger in einer Klinik in W.. Bei diesem Klinikaufenthalt handelte es sich um eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte stationäre Leistung zur Rehabilitation, die auch Unterkunft und Verpflegung umfasste. Mit Bescheid vom 08. 06. 2006 kürzte der Beklagte die Regelleistung um 94,00 € und führte zur Begründung aus, da der Kläger vom 09.05. bis 30.05.2006 in der Reha-Klinik gewesen sei, habe seine Regelleistung gemäß § 20 SGB II während der medizinischen Rehabilitation (Einlieferungs- und Entlasstag nicht mitgerechnet) um 45 % gekürzt werden müssen, da er in der Klinik Vollverpflegung erhalten habe. Für den Zeitraum von 20 Tagen ergebe sich eine Kürzung von 94,00 €. Dieser Betrag werde der Einfachheit halber direkt an der ihm zustehenden Hilfe für Juli in Abzug gebracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.07.2006 Widerspruch ein.
Vom 31.07.2006 bis zum 09.08.2006 befand sich der Kläger wiederum im Klinikum in O. in vollstationärer Krankenhausbehandlung. Mit Bescheid vom 15.08.2006 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 25.02.2005 (richtig: 2006) nach § 48 Abs. 1 SGB X teilweise ...