Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen RF. Ermäßigung des Rundfunkbeitrags. GdB unter 80. Rundfunkbeitragsrecht in Baden-Württemberg. keine Anerkennung eines gesundheitlich bedingten Härtefalls. keine Befreiung von der Beitragspflicht durch Härteklausel für soziale Notfälle. Merkzeichen aG. außergewöhnliche Gehbehinderung. Neuregelung des § 146 Abs 3 SGB 9. grundsätzlich keine anderen Bewertungsergebnisse
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach der Rechtsprechung des BSG (vom 16.2.2012 - B 9 SB 2/11 R = SozR 4-3250 § 69 Nr 14) entwickelten Grundsätze zur Feststellung des Merkzeichens "RF" wegen eines gesundheitlich bedingten Härtefalls für Personen mit einem GdB von weniger als 80 sind auf die in Baden-Württemberg geltende aktuelle Rechtslage nicht übertragbar, insbesondere ist die Härtefallregelung in § 4 Abs 6 RBStV (juris: RdFunkBeitrStVtr BW) nicht einschlägig (ebenso LSG Stuttgart vom 7.8.2013 - L 3 SB 83/13).
2. Die Änderungen der Rechtsgrundlagen für die Feststellung des Merkzeichens "aG" führten bis zu der am 30.12.2016 in Kraft getretenen Neuregelung in § 146 Abs 3 SGB IX (Art 2 Nr 13 BTHG) grundsätzlich zu keinem anderem materiellen Ergebnis.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 04.03.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) “aG„ (Parkerleichterung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung) sowie “RF„ (Befreiung/Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht) streitig.
Bei dem 1935 geborenen Kläger stellte das Landratsamt T. - Versorgungsamt - mit Bescheid vom 24.02.2011 wegen psychovegetativen Störungen und Schädigungsfolgen nach dem 1. SED-UnBerG (GdB 20), einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung beider Füße und Polyarthrose (GdB 40), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung und Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 30), einer Depression, funktionellen Organbeschwerden, Schwindel und chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30), einer Hochtonschwerhörigkeit und Ohrgeräuschen beidseits (GdB 20) sowie einer Prostatavergrößerung (GdB 10) den Gesamt-GdB mit 60 neu sowie erstmals das Merkzeichen “G„ fest. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch über den - soweit ersichtlich - nicht entschieden wurde. Wegen eines Anspruches nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (1. SED-UnBerG) wurde beim Kläger außerdem mit Ausführungsbescheid des Landratsamtes Z. (LRA) vom 10.06.2013 (eines Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 20.12.2012) wegen eines psychoreaktiven Syndroms, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit andauernder Persönlichkeitsveränderung ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 ab 01.05.2004 festgestellt und ihm Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG i.V.m. dem BVG bewilligt.
Am 06.03.2013 stellte der Kläger beim LRA einen Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB sowie auf die Feststellung der Merkzeichen “aG„ und “RF„. Das LRA nahm ärztlich Unterlagen zu den Akten (ärztliches Attest Dr. S. vom 20.02.2013 und Befundbericht an das LRA vom 13.03.2013, Diagnosen: Zustand nach Prellung rechtes Knie 2009, knöchern konsolidierte distale Fibulafraktur links Typ Weber B/C 30.11.2012; Befundbericht Dr. Z. vom 21.03.2013 mit Tonaudiogramm vom 16.11.2011; Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. vom 21.02.2010 an das Sozialgericht Dresden im Klageverfahren des Klägers S 13 VU 2/07). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. N. vom 11.04.2013 wurde der GdB weiterhin mit 60 vorgeschlagen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Merkzeichen “aG„ und “RF„ verneint.
Mit Bescheid vom 19.04.2013 entsprach das LRA dem Antrag auf Neufeststellung des GdB sowie auf Feststellung der Merkzeichen “aG„ und “RF„ nicht.
Gegen den Bescheid vom 19.04.2013 legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte wegen einer zusätzlich zu berücksichtigenden komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit andauernder Persönlichkeitsstörung als weitere Schädigungsfolge nach dem StrRehaG einen GdB von 80 geltend.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 01.08.2013 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 70 seit 06.03.2013 neu fest. Berücksichtigt wurden eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung beider Füße und Polyarthrose (GdB 40), psychovegetative Störungen, seelische Störung, Schädigungsfolgen nach dem 1. SED-UnBerG (GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung und Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 30), eine Depression, funktionelle Organbeschwerden, Schwindel und chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30), eine Hochtonschwerhörigkeit und Ohrgeräusche bei...