Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragspflicht. Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung verstößt nicht gegen Grundrechte der beitragspflichtigen Unternehmen und ist mit der Wettbewerbs- und Dienstleistungsfreiheit nach europäischem Gemeinschaftsrecht (Art 49, 81, 82 EG-Vertrag) vereinbar (Bestätigung von LSG Stuttgart vom 28.2.2003 - L 1 U 3237/01 = HVBG-INFO 2003, 2096; Bestätigung von LSG Stuttgart vom 29.9.2005 - L 6 U 4639/03 = HVBG-INFO 2006, 93; Vergleiche BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R = BSGE 91, 263).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung des Beitrags zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 2002 streitig.
Die Klägerin ist seit 1969 in das Unternehmensverzeichnis der T.-BG, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, eingetragen. Sie entrichtete in der Vergangenheit jeweils Beiträge in unterschiedlicher Höhe.
Es wurden vor dem streitigen Beitragsjahr für
das Beitragsjahr 1996 ein Beitrag von 168.283 DM - mit Nachlass-(= 86.113 €)
das Beitragsjahr 1997 ein Beitrag von 161.713 DM - ohne Nachlass - (= 82.682 €)
das Beitragsjahr 1998 ein Beitrag von 159.521 DM - mit Nachlass - (= 81.561 €)
das Beitrag für 1999 ein Beitrag von 147.456 DM - mit Nachlass - (= 75.393 €)
das Beitragsjahr 2000 ein Beitrag von 153.882 DM - mit Nachlass - (= 78.678 €)
das Beitragsjahr 2001 ein Beitrag von 80.149 € - mit Nachlass - erhoben.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.05.2003 erhob die T.-BG für das Beitragsjahr 2002 einen Beitrag in Höhe von 108.236,89 €. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie u. a. damit begründete, dass die Gefahrklassen verändert worden seien, ein reines Beitragszuschlagsverfahren anstatt des Nachlassverfahrens eingeführt worden sei, durch den vom Gesetzgeber eingeräumten zu weiten Ermessensspielraum der Vorbehalt des Gesetzes verletzt werde und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt werde. Die drastische Erhöhung des Insolvenzgeldes habe erdrosselnde Wirkung. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 29.10.2003 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Sie macht geltend, die durchschnittlich an die Beklagte zu zahlenden Beiträge seien in den Jahren 1989 bis 2002 von 3,92 DM je 100 DM Lohnsumme auf 4,92 € je 100 € Lohnsumme gestiegen, dies entspreche einer Erhöhung um 25,5 Prozent. Auch die aufzuwendenden Summen für Renten und die gestiegenen Insolvenzen belasteten die beitragspflichtigen Unternehmen. § 157 Abs. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, der die Festsetzung des Gefahrtarif normiere und dem angefochtenen Beitragsbescheid zugrunde liege, sei verfassungswidrig. Das Gesetz gebe dem Unfallversicherungsträger nach der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG keine genügenden Anweisungen für die Bildung des Gefahrtarif. Zudem verletzten die sich ständig erhöhenden Beitragsforderungen der Beklagten ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 des Grundgesetzes (GG), da die Belastungen zu einer Erdrosselung führten. Über den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung seien auch versicherungsfremde Leistungen zu finanzieren, wie die Leistungen bei Unfällen auf den Arbeitswegen, Schwarzarbeitsunfälle und die Finanzierung der Unfallrenten über die gesetzliche Altersgrenze hinaus sowie des Insolvenzausfallgeldes. Die Beklagte hat auf das in § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB VII geregelte Umlageverfahren verwiesen, wonach das Gesamtaufkommen der Beiträge zur Deckung der Ausgaben diene. Eine Eigentumsverletzung nach Art. 14 Abs. 1 GG liege durch den Beitragsbescheid nicht vor. Art. 14 Abs. 1 GG schützte nicht das Vermögen als solches. Eine erdrosselnde Wirkung habe die Klägerin auch nicht dargelegt. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG liege nicht vor, denn eine zielgerichtete Beeinträchtigung oder jedenfalls faktische Einwirkung mit berufsregelnder Tendenzen, was die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit voraussetze, liege nicht vor. Auch der Wesentlichkeitsgrundsatz werde durch § 157 SGB VII nicht verletzt. Das Insolvenzgeld werde im Übrigen von der Beklagten lediglich im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit eingezogen und an diese weitergeleitet. Außerdem löse das geleistete Insolvenzgeld Ansprüche der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern ab, so dass es auch sachgerecht sei, wenn der Arbeitgeber mit der Umlage das Insolvenzgeld mitfinanziere.
Mit Urteil vom 18.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, es sei schon fraglich, ob die Wesentlichkeitstheorie auf die Prüfung von Satzungen Anwendung...