Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rekonstruktion des Kreuzbandes im Kniegelenk. Spendersehne. Abrechenbarkeit. Zusatzentgelt. Kostenerstattung. Vollstationäre Krankenhausbehandlung. Fallpauschale. Sachleistung. Allgemeine Krankenhausleistungen. Vertrag über Wahlleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben Anspruch auf Versorgung mit einem Spendertransplantat zur Rekonstruktion des vorderen und hinteren Kreuzbandes im Kniegelenk, wenn die Verwendung körpereigenen Materials im konkreten Einzelfall aus medizinischen Gründen nicht sinnvoll ist.
2. Die Kosten der stationären Behandlung sind nach DRG I30Z (Komplexe Eingriffe am Kniegelenk) des DRG-Entgeltkatalogs abrechenbar. Ein Zusatzentgelt für den Einsatz der Spendersehne kann das Krankenhaus von der Krankenkasse nicht verlangen, wenn ein solches weder im DRG-Entgeltkatalog noch nach § 6 Abs 2a KHEntgG vereinbart worden ist.
3. Lehnt es die Krankenkasse in einem solchen Fall gegenüber dem Versicherten ab, die Kosten für eine Spendersehne zusätzlich zu vergüten, kann der Versicherte nicht im Wege der Kostenerstattung auf der Grundlage von § 13 Abs 3 SGB 5 die Kosten für eine wahlärztliche Leistung (Chefarztbehandlung) verlangen.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 39 Abs. 1 Sätze 2-3; KHEntgG § 2 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 2a, § 7 Abs. 1, § 17
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.03.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer stationär durchgeführten Knieoperation, bei der ein Spendertransplantat verwendet wurde.
Der 1984 geborene Kläger ist Zimmermann und bei der Beklagten krankenversichert. Bei dem Kläger wurde 2006 bei Instabilität des linken Kniegelenks eine hintere Kreuzbandrekonstruktion durchgeführt. 2010 bestand erneut eine Instabilität des linken Kniegelenks, der Kläger war aufgrund dessen in seiner Tätigkeit als Dachdecker arbeitsunfähig.
Am 25.08.2010 ging bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung der Orthopädischen Klinik M. (OKM) ein, mit welcher der Chefarzt Dr. R. um Kostenübernahme einer geplanten Operation bat. Es sei ein komplexstabilisierender Eingriff mit vorderer und hinterer Kreuzbandrekonstruktion sowie Augmentation des Innenbandes geplant, für die vordere und hintere Kreuzbandrekonstruktion sei jedoch eine Spendersehne notwendig. Es werde um Übernahme im Rahmen der Fallpauschale plus Kosten für die Spendersehnen von 2.500,00 € gebeten. Alternativ müsse eine Quadrizepssehnenentnahme beidseits erfolgen, welche die Morbidität jedoch erheblich vergrößern würde.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 10.09.2010 führte Dr. P. aus, es bestehe zweifelsfrei eine medizinische Indikation zur Rekonstruktion der Kreuzbänder, gerade in Hinsicht auf einen bereits fehlgeschlagenen Stabilisierungsversuch. Die Versorgung mit einem Patellarsehnentransplantat sei bei kniendem Beruf ungünstig, da Beschwerden im Bereich der Kniegelenkscheibe auftreten könnten. Im DRG-System sei ein gesondertes Entgelt für den Einsatz eines Spendertransplantats nicht vorgesehen, die Abrechnung könne über die DRG-Regelsätze erfolgen. Mit Bescheid vom 21.09.2010 lehnte die Beklagte daraufhin die Übernahme der Kosten von 2.500,00 € für die Spendersehne ab.
Mit Widerspruch vom 04.10.2010 machte der Kläger geltend, es liege eine ärztliche Bestätigung vor, wonach die Krankenbehandlung unumgänglich unter Benutzung einer Spendersehne durchzuführen sei. Mit weiterem Gutachten vom 14.10.2010 führte Dr. P. für den MDK klarstellend aus, für die Versorgung der Knieinstabilität stünden verschiedene Techniken zur Verfügung, die auf der Verwendung von körpereigenem Material zum Ersatz der zerstörten Kniebänder basierten. Die Verwendung einer Spendersehne sei eine selten angewandte Technik. Die komplexen Kniegelenkseingriffe seien über die DRG I 30 Z abrechenbar. Für die Erstattung bestimmter hochpreisiger Prozeduren seien sogenannte Zusatzentgelte im Fallpauschalenkatalog aufgenommen. Diese könnten bei Einsatz derselben zusätzlich durch die Krankenhäuser in Rechnung gestellt werden. Für den Einsatz einer Spendersehne in der rekonstruktiven Kniegelenkschirurgie gebe es kein gesondert berechenbares Zusatzentgelt. Vorliegend sei die Stabilisation mittels Spendertransplantats möglich, die Verwendung der eigenen Kniescheibensehne (die im Vorgutachten erwähnte Patellarsehnentransplantation) eher ungünstig. Mit weiterem Bescheid vom 21.10.2010 erklärte die Beklagte die Übernahme der Kosten für den geplanten Eingriff im Rahmen des DRG-Systems (Fallpauschale). Die Mehrkosten für die Spendersehne seien vom Kläger selbst zu tragen.
Der Kläger schloss daraufhin mit der OKM einen Behandlungsvertrag/Wahlleistungsvereinbarung. Die stationäre Behandlung wurde sodann ...