Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. örtliche Zuständigkeit bei stationären Leistungen. fehlender gewöhnlicher Aufenthalt. Aufgabenübergang nach Auflösung Landeswohlfahrtsverband. Erstattungsanspruch des insofern vorläufig leistenden Sozialhilfeträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Die vorläufige Leistungserbringung - Eingliederungshilfe bei Aufenthalt in einer Einrichtung - im Rahmen des Aufgabenübergangs durch § 12 WohlfVbdAuflG BW bei Streit über den örtlich zuständigen Stadt- oder Landkreis ist auch im Falle eines fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts des Leistungsberechtigten über die Erstattungsregelungen der §§ 102 ff SGB 10 zu lösen. Diese werden nicht durch die speziellere Regelung des § 106 Abs 1 S 2 SGB 12 ausgeschlossen, weil dessen tatbestandliche Voraussetzungen dann nicht vorliegen.
2. Zu prüfen ist hier ausgehend vom Zeitpunkt der ersten Antragstellung, wer zu diesem Zeitpunkt gem § 98 Abs 2 S 1 bzw S 3 SGB 12 zuständig gewesen wäre.
Tenor
Auf die Berufungen des Beigeladenen zu 2) und der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts M. vom 26. November 2009 abgeändert und statt dem Beigeladenen zu 2) der Beklagte verurteilt, der Klägerin die für den Beigeladenen zu 3) entstandenen Kosten der Eingliederungshilfe seit dem 01.01.2005 zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 3).
Der Streitwert wird auf 150.795,-- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht die Erstattung der seit dem 01.01.2005 entstandenen Kosten durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für den Beigeladenen zu 3) (im Folgenden R.) Die Beteiligten streiten um die Frage, wer für die Hilfegewährung nach dem Übergang der Aufgaben des aufgelösten Landeswohlfahrtsverbands der örtlich ab dem 01.01.2005 zuständige Stadt- oder Landkreis ist.
Der am … 1972 geborene hilfebedürftige R. lebte bis 10.03.1993 bei seinen Eltern in K. (Landkreis Hohenlohekreis - Beigeladener zu 2). Anschließend schloss er sich dem Wanderzirkus H. an und zog mit diesem umher. Die Abmeldung von K. erfolgte am 19.04.1993. Den Zirkus verließ R. am 12.07.1993 in C. (Landkreis C.), wo er sich obdachlos bis 16.07.1993 aufhielt. Dort wurde er verwahrlost von seinen Eltern abgeholt, mit nach Hause genommen und am nächsten Tag (17.07.1993) zur stationären Behandlung ins Psychiatrische Landeskrankenhaus (PLK) W. (Landkreis Heilbronn - Beigeladener zu 1) verbracht. Anschließend hielt er sich nahtlos in verschiedenen Einrichtungen auf. Ab dem 23.08.1994 wurde er in der Fachklinik E.- bis 17.07.1995 im Haus E.in H.(Landkreis Rhein-Neckar-Kreis - Beklagter) und weiter im Haus H. in H. (Stadt H.) - im Rahmen einer stationären Langzeit-Entwöhnungsbehandlung bei Polytoxikomanie weiterbehandelt. Am 19.02.1996 wechselte der Kläger in den Bereich der Stadt M. (Klägerin) und wurde in das Elisabeth-Lutz-Haus verlegt. Innerhalb der Stadt M. wechselte er am 04.03.2002 in die Außenwohngruppe des St. Anna Hauses, wo er bis 14.11.2005 verblieb. Anschließend lebte er im durch das St. Anna Haus Betreuten Wohnen in eigener Wohnung in M. und wurde in der Arbeitstherapeutischen Werkstätte M. gGmbH betreut.
Bis Juni 1995 wurde R. von seinen Eltern finanziell unterstützt. Auf den Erstantrag des R. vom 23.01.1995 hin - während des Aufenthalts in der Fachklinik E.Haus E.(Rhein-Neckar-Kreis) - erbrachte fortan der Landeswohlfahrtsverband Baden (LWB) als überörtlicher Träger Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG; vgl. Bescheide vom 24.05.1995 und 19.04.1996, VA Klägerin Bl. 15 ff) bis 31.12.2004. Nach der Auflösung des LWB zum 31.12.2004 (Gesetz zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände vom 01.07.2004, verkündet als Art. 177 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 01.07.2004, Gbl. S. 469) ging die sachliche Zuständigkeit auf die örtlichen Träger über. Der LWB gab die Fallakten des R. an die Stadt Heidelberg ab. Diese wiederum hielt die Klägerin für zuständig (Bl. 21 VA Klägerin), die ihrerseits die Zuständigkeit des Beklagten für gegeben hielt, der jedoch diese Auffassung nicht teilte (Schreiben vom 28.04.2005). Nachdem die örtliche Zuständigkeit unter den verschiedenen Leistungsträgern nicht geklärt werden konnte, übernahm schließlich zunächst die Klägerin ab 01.01.2005 die Kosten für R., weil sich die Einrichtung dort befindet (u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII inklusive Hilfe zum Lebensunterhalt in einer Einrichtung, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Bl. 73, 239 VA Klägerin).
Mit Schreiben vom 16.09.2005 an den Beklagten wies die Klägerin darauf hin, dass sie als unzuständiger Träger die Hilfe gewähre und bat um Anerkennung der Zuständigkeit, Übernahme des Falles in eigener Zuständigkeit und Kostenerstattung. Sie hielt den tatsächlichen Aufenthalt des R. im Bereich des Beklagten zur Zeit der Antragstellung beim LWB für maßgeblich (Bl. 79 VA Klägerin). Der Beklagte blieb bei seiner Ablehnung.
Am 08.05.2006 hat die K...