Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Kodierung von ICD-10-GM 2016 Nr N17.- (Akutes Nierenversagen). Klammerzusatz "adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt" nur in Bezug auf den "Abfall der Diurese"
Leitsatz (amtlich)
Der Kodierung der Diagnose N17.- Akutes Nierenversagen nach ICD-10-GM Version 2016 steht nicht entgegen, dass der Versicherte im Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik exsikkiert war. Der in der Vorschrift genannte Klammerzusatz "adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt" bezieht sich allein auf die letzte Variante der Definition (Abfall der Diurese).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.10.2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 1.038,64 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Beklagten.
Die Klägerin ist Trägerin einer zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Hochschulklinik (§ 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫). Die 1923 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte F (im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 15.12.2016 bis 21.12.2016 stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt, wobei vom 15.12.2016 bis 16.12.2016 die Behandlung der Versicherten aufgrund notärztlicher Zuweisung wegen des Verdachts auf gastrointestinale Blutung bei seit dem Vortag bestehender Diarrhö mit Blutauflagerungen, Übelkeit, Erbrechen und leicht erhöhter Temperatur in deutlich reduziertem Allgemein- und Ernährungszustand sowie einem Serum-Kreatininwert von 1,45 mg/dl zunächst im Universitäts-Notfallzentrum erfolgte. Im Bericht des R (vom 16.12.2016) sind als Aufnahmediagnosen eine Gastroenteritis (DD infektiöser Genese) sowie ein akutes Nierenversagen (DD prärenaler Genese bei Diarrhoen) genannt. Ausweislich des Entlassungsberichts der L vom 05.01.2017 kam es im Verlauf unter antiemetischer Therapie und Flüssigkeitsgabe zu einem spontanen Sistieren der Übelkeit und der Diarrhö. Das initiale, am ehesten prärenal zu wertende Nierenversagen habe sich unter Volumengabe rasch rückläufig gezeigt. Der Kreatininwert habe bei Entlassung 1,0 mg/dl betragen.
Mit Rechnung vom 27.12.2016 stellte die Klägerin der Beklagten für die Krankenhausbehandlung der Versicherten eine Vergütung in Höhe von 2.678,84 € nach der Diagnosis Related Group (DRG) G67A (Ösophagitis, Gastroenteritis, gastrointestinale Blutung, Ulkuserkrankung und verschiedene Erkrankungen der Verdauungsorgane mit bestimmten komplizierenden Faktoren) in Rechnung. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, beauftragte jedoch mit Schreiben vom 10.01.2017 ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer Abrechnungsprüfung, der mit Schreiben vom selben Tag bei der Klägerin die benötigten Unterlangen anforderte. Mit Schreiben vom 10.01.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es bestünden Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistung bzw. der Korrektheit der Abrechnung. Es liege folgende Auffälligkeit vor: Laut DKR D003 dürften Nebendiagnosen nur kodiert werden, wenn sie einen Mehraufwand verursachten: therapeutische, diagnostische Maßnahmen, erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Für die Nebendiagnosen N17.81 (Sonstiges akutes Nierenversagen: Stadium 1), S06.5 (Traumatische subdurale Blutung) und K75.4 (Autoimmune Hepatitis) sei im Zusammenhang mit den durchgeführten Prozeduren kein Ressourcenverbrauch zu erkennen. Der mit der Prüfung des Falles beauftragte SMD (S) kam in seinen Stellungnahmen vom 08.05.2017 und 12.07.2017 zu dem Ergebnis, die Nebendiagnose N17.81 sei nicht zu kodieren. Bei Aufnahme sei laborchemisch ein Kreatininwert mit 1,45 mg/dl bestimmt worden. Es handele sich jedoch lediglich um einen durch Exsikkose bedingten Anstieg der Retentionswerte. Ein nicht adäquater Hydrationszustand zum Zeitpunkt der Messung schließe die Kodierung eines akuten Nierenversagens Stadium 1 aus. Hier sei vielmehr ein Volumenmangel mit E86 zu kodieren.
Die Beklagte verrechnete am 26.05.2017 auf Grundlage der Feststellungen des SMD das gezahlte Entgelt mit unstreitigen Forderungen aus anderen Behandlungsfällen in Höhe von 1.038,64 €.
Die Klägerin hat am 27.02.2018 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) auf Zahlung in Höhe von 1.038,64 € zuzüglich Zinsen erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kodierung der Nebendiagnose N17.81 sei richtlinienkonform erfolgt. Das initiale, am ehesten prärenal zu wertende Nierenversagen habe sich unter Volumengabe rasch rückläufig gezeigt. Bei Aufnahme am 15.12.2016 habe der Serum-Kreatininwert bei 1,45 mg/dl gelegen. Unter Volumentherapie habe sich die Nierenfunktion kontinuierlich bis zu einem Kreatininwert von 1,03 mg/dl am 16.12.2016 gebessert. Bis zum 19.12.2016 sei der Wert auf 0,8 mg/dl gesunken. Beim akuten Nierenversagen handele es sich um eine plötzliche, inn...