Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. Rückforderung vertragsärztlicher Honorare. Widerrufsvorbehalt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Widerspruch gegen Bescheide über die Rückforderung vertragsärztlicher Honorare hat keine aufschiebende Wirkung nach § 86 Abs 2 SGG.
2. Honorarbescheide können mit einer Nebenbestimmung (Widerrufsvorbehalt) versehen werden, wenn sie sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.
3. Zur Aufrechnungsbefugnis während des Widerspruchsverfahrens.
Gründe
Die Antragsgegnerin hat mit zwei Bescheiden von Oktober und Dezember 1996 die Honorare der Antragsteller, Radiologen in einer Gemeinschaftspraxis, für das I. und II. Quartal 1996 auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) in der Fassung vom 13. Juni 1996 in Höhe von 459.019,34 DM bzw. 394.473,32 DM festgesetzt. Die Bescheide, die nicht angefochten worden sind, tragen folgenden Hinweis:
Vorbehalt
Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage des EBM'96 in der vom Bewertungsausschuß am 13.06.1996 beschlossenen Fassung. Im Hinblick auf die hiergegen bundesweit erhobenen Klagen steht die Abrechnung unter dem Vorbehalt der nachträglichen Berichtigung für den Fall, daß der Beschluß des Bewertungsausschusses vom 13.06.96 endgültig für rechtswidrig erklärt werden sollte (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X).
Gleichzeitig war für beide Quartale eine "Alternativberechnung" ohne rückwirkende Budgetierung aufgrund des EBM in der Fassung vom 13. Juni 1996 durchgeführt worden, die Honorare in Höhe von 385.533,70 DM bzw. 368.419,73 DM ergab.
Nachdem das Bundessozialgericht durch Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 36/97) die rückwirkende Budgetierung der Gesprächs- und Untersuchungsleistungen in den Quartalen I/96 und II/96 für rechtswidrig erklärt hatte, hat die Antragsgegnerin das Honorar mit Bescheid vom 24. November 1997 entsprechend der Alternativberechnung neu festgestellt und eine Überzahlung von 99.539,23 DM errechnet. Zugleich hat sie folgendes mitgeteilt:
"Sofern Sie nichts anderes von uns hören, wird der von Ihnen zu erstattende Betrag mit der Restzahlung für das Quartal II/97 oder in den Folgequartalen verrechnet."
Der geltend gemachte Erstattungsbetrag wurde mit den Honoraransprüchen für das II. Quartal 1997 in Höhe von 51.200,-- DM, das III. Quartal 1997 in Höhe von 24.189,23 DM und - im März 1998 - das IV. Quartal 1997 in Höhe von 24.150,-- DM verrechnet. Die Antragsteller haben gegen den Bescheid vom 24. November 1997 Widerspruch eingelegt und bei dem Sozialgericht Berlin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben beantragt.
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 1. Dezember 1997 gegen den Rückforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. November 1997 festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, bisher einbehaltene Beträge auszuzahlen.
Das Sozialgericht hat durch Beschluß vom 12. März 1998 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 1. Dezember 1997 gegen den Bescheid vom 24. November 1997 bis zu dessen Bescheidung angeordnet und die Antragsgegnerin unter Hinweis auf diesen Bescheid verpflichtet, bisher einbehaltene Beträge von 51.200,-- DM und 24.189,23 DM an die Antragsteller auszuzahlen.
Gegen diesen Beschluß haben alle Beteiligte am 18. März 1998 Beschwerde eingelegt. Die Antragsteller haben ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz beantragt.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
Der Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. November 1997 hat keine aufschiebende Wirkung nach § 86 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-. Die in dieser Vorschrift beschriebene Rechtsfolge setzt einen Verwaltungsakt voraus, der die Kapitalabfindung von Versicherungsansprüchen oder die Rückforderung von Beiträgen oder sonstigen Leistungen betrifft oder in der Sozialversicherung eine laufende Leistung entzieht. Da das Gesetz hier nicht von "Sozialleistungen" (vgl. § 11 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch - SGB I -) spricht, läßt sich die Auffassung vertreten, daß vom prozeßrechtlichen Begriff der "Leistung" auch Honorare der Vertragsärzte mit umfaßt seien (so Meyer-Ladewig, SGG, noch in der 5. Auflage, § 86 Rz 4); ähnliches ist hinsichtlich der Frage, ob sozialgerichtliche Urteile im Kassenarztrecht mit der Berufung anfechtbar sind, für den Begriff der "Leistungen" in § 144 Abs. 1 und § 149 SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung angenommen worden (BSG in SozR 1500 § 144 Nr. 6 und § 149 Nr. 7). Diese Verfahrensvorschriften gründen sich aber auf eine andere Interessenlage als die in § 86 Abs. 2 SGG vorausgesetzte. Die Frage, in welchem Umfang ein gerichtlicher Instanzenzug eröffnet wird, gebietet eine Gleichbehandlung aller Prozeßbeteiligten unabhängig davon, welcher sozialgerichtlichen Fachsparte das Verfahren zuzuordnen ist. Ob dagegen einem Rechtsbehelf/Rechtsmittel eine aufschiebende Wirkung zukommt, kann der Gesetzgeber u...