Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Anforderung an die Prozessvollmacht eines Rechtsanwalts. Zulässigkeit der Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten bei Nichtvorlage einer für das konkrete Verfahren ausgestellten Vollmacht
Orientierungssatz
Ist ein Rechtsanwalt in anderen Verfahren dadurch aufgefallen, dass er vollmachtlos Prozesshandlungen initiiert hat und kann er auf Aufforderung des Gerichts in einem sozialgerichtlichen Verfahren keine auf das konkrete Verfahren bezogene Vollmacht vorweisen, so ist der Rechtsanwalt zurückzuweisen und die von ihm vorgenommene Prozesshandlung als unwirksam zu erachten (hier: Einlegung einer Nichtzulassungsbescherde zu einer Berufung).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. März 2015 wird als unzulässig verworfen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat der Beklagten deren Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Der Rechtsanwalt begehrt im Namen der Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. März 2015. In der Hauptsache macht er höhere Kosten eines Widerspruchsverfahrens geltend. Mit Urteil vom 19. März 2015, dem Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis am 13. April 2015 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
“Namens und in Vollmacht der Klägerin„ hat der Rechtsanwalt der Klägerin, Herr T L, dagegen am 18. April 2015 Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Mit Schreiben vom 24. April 2015 hat der Vorsitzende Richter des erkennenden Senats den Rechtsanwalt der Klägerin aufgefordert, eine Prozessvollmacht für das zugrunde liegende Verfahren beizubringen. Daraufhin hat der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 8. Mai 2015 mit Computerfax eine Vollmacht vom 29. Mai 2012 mit folgendem Wortlaut übersandt:
“eidelngelika„
Mit richterlichem Schreiben vom 21. Mai 2015 hat der Berichterstatter des Senats den Rechtsanwalt darauf hingewiesen, dass diese Vollmacht schon deshalb nicht ausreichen dürfte, weil sie Jahre vor dem Verfahren ausgestellt wurde und das Verfahren nicht einmal erwähnt. Es wurde eine Nachfrist bis zum 1. Juni 2015 gesetzt (Eingang beim Gericht). Daraufhin ging erneut per Computerfax am 29. Mai 2015 eine weitere inhaltsgleiche Vollmacht, nunmehr mit Ausstellungsdatum 2. August 2013, bei dem Gericht ein.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerde ist bereits nicht wirksam eingelegt.
Die Klägerin, die die Beschwerde nicht selbst eingelegt hat, konnte sich zwar durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 73 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Eine wirksame Bevollmächtigung des hier auftretenden Rechtsanwalts ist hier jedoch mangels Vorlage einer entsprechenden Vollmacht für das Verfahren nicht ersichtlich, so dass die Beschwerde unzulässig ist. Sie ist als durch einen vollmachtlosen Vertreter eingelegt anzusehen; die Klägerin hat die durch den vollmachtlosen Vertreter erfolgte Beschwerdeeinlegung nachträglich auch nicht genehmigt, so dass die fehlerhafte Prozesshandlung nicht rückwirkend geheilt worden ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 5/01 R, zitiert nach juris) .
Eine Vollmacht ist nach § 73 Absatz 6 Satz 1 SGG grundsätzlich schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Das Vorhandensein der Vollmacht ist zwar bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nach § 73 Absatz 6 Satz 5 SGG nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Bei Vorliegen begründeter Zweifel darf das Gericht aber dennoch eine Überprüfung vornehmen und eine schriftliche Vollmacht anfordern (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage 2014, § 73 Rn. 68). Eine Vollmacht muss erkennen lassen, wer bevollmächtigt ist und für welche Handlungen eine Bevollmächtigung erteilt worden ist (Leitherer, a.a.O., § 73 Rn. 61).
Die von dem Rechtsanwalt vorgelegten Vollmachten genügen diesen Ansprüchen nicht.
Das Gericht hat insbesondere aus mehreren eigenen Verfahren Erkenntnisse, die am Vorliegen einer wirksamen Bevollmächtigung des Rechtsanwalts bei Vorlage lediglich allgemeiner Vollmachten erhebliche Zweifel aufkommen lassen. So gaben beispielsweise allein bei einer Sitzung des Senats am 5. Mai 2015 beide zu dem Termin geladene vermeintliche Berufungsklägerinnen in den von Rechtsanwalt L eingeleiteten Verfahren L 29 AS 144/14 und L 29 AS 3044/14 übereinstimmend an, denselben Rechtsanwalt T L nicht zur Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt zu haben und auch keine entsprechende Vollmacht für dieses Verfahren erteilt zu haben. Sie hätten ihm nur vor Jahren aus anderem Anlass eine Vollmacht ausgestellt, die keinen Bezug zum hiesigen Rechtsstreit habe. Bis zu ihrer Ladung zum Termin hätten sie nicht einmal Kenntnis von dem anhängigen Berufungsverfahren gehabt. Von diversen weiteren, in ihrem Namen bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg von Herrn Rechtsanwalt L eingeleiteten Verfahren, hätten sie ebenfalls keine Kenn...