Entscheidungsstichwort (Thema)
Kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen vorläufige Leistungsbewilligung unzulässig, wenn nur Leistungen in gleicher Höhe auf Dauer begehrt werden. Auslegung des Klagebegehrens/Abgrenzung zur Klarstellung -vorläufige Leistungsbewilligung. Auslegung von Bescheiden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Herbeiführung der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähigkeit. Klage auf endgültig höhere Leistung. Mehrbedarf. Regelbedarf. Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Zulassung der Berufung. Eigenständiger, abtrennbarer Verfügungssatz. Endgültige Leistungsbewilligung. Fehlende Beschwer. Grundsätzliche Bedeutung. Kein ausdrücklicher Vorläufigkeitsvorbehalt. Kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Neuer Bescheid. Schwebendes Beschwerdeverfahren
Orientierungssatz
1. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, die darauf gerichtet ist, nur vorläufig bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs auf Dauer zu erhalten, ist unzulässig, solange die Leistungen deswegen nicht endgültig bewilligt sind, weil der Grund für Vorläufigkeit der Bewilligung (hier: ausstehender Einkommensteuerbescheid für ein bestimmtes Jahr) fortbesteht.
2. Bei der Auslegung eines Bescheides kommt es darauf an, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Bescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen muss.
3. Die Vorschriften über die Ermittlung des Einkommens von Selbstständigen ändern nichts an der zeitlich eingeschränkten Wirkung einer vorläufigen Leistungsgewährung.
4. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist bei dieser Rechtslage unbegründet.
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) der Klägerin ist nicht begründet, da die in § 144 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG normierten Zulassungsvoraussetzungen nicht vorliegen; sie war daher zurückzuweisen.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG zu, weil die im vorliegenden Fall sich konkret stellenden und auch abstrakt klärungsbedürftigen Rechtsfragen mangels Entscheidungserheblichkeit nicht konkret klärungsfähig sind.
Ausweislich der Klageschrift vom 07. März 2008 war das Begehren (§ 123 SGG) der Klägerin - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung (dazu sogleich), es handele sich bei den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen um endgültige Regelungen - von Anfang darauf gerichtet, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung endgültig höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 31. Oktober 2007 (ganz genau wohl eher vom 01. September 2007 bis zum 09. Oktober 2007) zu erreichen. Dies wird von der Klägerin auch ausdrücklich nicht in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 28. September 2009, dort Seite 2). Gerade weil die Klägerin bis heute davon ausgeht, dass es sich bei den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen um endgültige Regelungen handelt, ist ihr zuvor umschriebenes Begehren im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin (Schriftsatz vom 28. September 2009, dort Seite 2) nicht einer “Klarstellung„ in dem Sinne zugänglich, dass die Klägerin lediglich die vorläufige Gewährung von höheren Leistungen bis zum endgültigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht hat. Ein derart verstandenes Begehren wäre vielmehr gegenüber dem tatsächlich von ihr erhobenen Begehren rechtlich etwas völlig anderes.
Demzufolge hat die Klägerin zur Durchsetzung ihres bezeichneten Begehrens eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4 SGG) erhoben, die jedoch nicht zulässig ist, weil die Klägerin nicht klagebefugt ist. Nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn die Klägerin behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Es muss mithin die Möglichkeit bestehen, dass die Klägerin in eigenen Rechten verletzt ist. Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Beklagte für den streitigen Zeitraum keine endgültige, das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung getroffen hat. Vielmehr verlautbarte die Beklagte mit dem den Zeitraum vom 01. September 2007 bis zum 28. Februar 2008 ursprünglich allein regelnden Bescheid vom 22. August 2007 (Blatt 336 ff Verwaltungsakte ≪VA≫) (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2007 ≪Blatt 354 ff VA≫) der Klägerin und ihrem Ehemann gegenüber, der einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, lediglich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Die Vorläufigkeit begründete die Beklagte aus...