Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Anrechnung des Einkommens des Lebenspartners auf den Bedarf in einer eheähnlichen Gemeinschaft
Orientierungssatz
1. An einer “eheähnlichen Gemeinschaft„ fehlt es nicht schon deshalb, wenn und soweit die Partner weniger als drei Jahre zusammen wohnen.
2. Das langjährige Zusammenleben ist nur ein Indiz für das Bestehen einer “eheähnlichen Gemeinschaft„.
3. Bei kürzerem Zusammenleben müssen weitere Merkmale vorliegen, die die Erwartung eines Einstehens füreinander gerechtfertigt erscheinen lassen (beispielsweise eine vorangegangene lange Partnerschaft).
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2005 aufgehoben.
Den Klägern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A M, E. Straße, B beigeordnet. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.
Gründe
Der Senat hat das Rubrum berichtigt, da das Sozialgericht offensichtlich übersehen hat, dass der Kläger zu 1. nicht nur eigene Ansprüche geltend macht, sondern auch solche seiner Kinder V und A.
Die zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) Beschwerde ist begründet. Die Kläger sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dazu in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§§ 114, 115 der Zivilprozessordnung - ZPO - i. V. m. § 73a Abs. 1 Satz SGG).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet eine (erforderliche, aber auch genügende) “hinreichende„ Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Bezüglich des Klägers zu 1. ist bislang nicht hinreichend geklärt, ob die Voraussetzungen für die Anrechnung des Einkommens von Frau U S auf seinen Bedarf erfüllt sind. Zwar fehlt es entgegen seiner Ansicht an einer “eheähnlichen Gemeinschaft„ nicht schon deshalb, weil die Partner weniger als drei Jahre zusammen wohnen. Das langjährige Zusammenleben ist nur ein Indiz für das Bestehen einer “eheähnlichen Gemeinschaft„. Andererseits müssen bei kürzerem Zusammenleben (hier bei Leistungsbeginn sechs Monate) weitere Merkmale vorliegen, die die Erwartung eines Einstehens füreinander gerechtfertigt erscheinen lassen (beispielsweise eine vorangegangene lange Partnerschaft). Mangels hinreichender entsprechender Feststellungen und demgemäß weiterer Ermittlungsnotwendigkeit lässt sich eine Erfolgsaussicht schon deshalb bislang nicht verneinen. Hinzu kommt, dass durchaus fraglich erscheint und dementsprechend zu klären sein wird, ob der Beklagte die Leistungsbewilligung in dem Bescheid vom 29. Dezember 2004 hinsichtlich der Höhe durch den Bescheid vom 7. April 2005 hinreichend deutlich aufgehoben hat und ob die für eine Aufhebung erforderlichen subjektiven Voraussetzungen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch) erfüllt waren.
Hinsichtlich der Kläger zu 2. und 3. liegt ebenfalls eine Aussicht auf Erfolg vor. Welches Einkommen auf den Bedarf der Kinder anzurechnen ist, richtet sich nicht nach selbst erfundenen “Grundsätzen„ des Beklagten, sondern nach dem Gesetz, hier § 9 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch. Dort ist das Einkommen der Partnerin eines Elternteils jedenfalls nicht erwähnt (vgl. zu dieser Problematik auch den Beschluss des Senats vom 14. Juli 2005 - L 14 B 48/05 AS ER -).
Ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe scheitert auch nicht an einer fehlenden “Erforderlichkeit„ der Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 121 Abs. 2 ZPO). Das Sozialgericht verkennt offensichtlich Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, wie schon der verfehlte Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus einer Zeit zeigt, als es das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe noch gar nicht gab. Im Übrigen geht es vorliegend gemäß den obigen Ausführungen durchaus um “nicht einfach überschaubare Tat- und Rechtsfragen„, wie bereits Bescheid und Widerspruchsbescheid des Beklagten zeigen. Es reicht nicht aus, dass im sozialgerichtlichen Verfahren Amtsermittlungspflicht besteht und die Kläger dazu in der Lage sind, ihr Anliegen verständlich zu formulieren und ggf. unter Anleitung des Gerichtes selbst vorzutragen. Aufgabe der Prozesskostenhilfe ist es, das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-) zu verwirklichen und die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung einer im Einzelfall möglichst wirksamen gerichtlichen Kontrolle in den von den Prozessordnungen zur Verfügung gestellten Instanzen als Ausfluss der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG ) weitgehend anzugleichen (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 - und 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01 -). Gegen diese Gewährleistung verstößt ein pauschales Abstellen auf den prozessualen Amtsermittlungsgrundsatz, zumal die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwaltes über die Reichweite der Amtsermittlu...