Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Statthaftigkeit einer Beschwerde nach Änderung des § 172 SGG. fehlendes Rechtschutzbedürfnis bei unzulässiger Elementenfeststellung. der Ausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG erfasst Beschwerden wegen Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht. Intertemporales Prozessrecht. Beschwerdewert. Subsidiarität. Vorwegnahme der Hauptsache. Hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weiterbildungsmaßnahme. Erwerbsfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die zum 01.04.2008 in Kraft getretene Einschränkung der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG erfasst auch solche Verfahren, die zu diesem Zeitpunkt bereits in der ersten Instanz anhängig waren. Noch vor dem 01.04.2008 eingelegte Beschwerden bleiben hingegen statthaft.
2. Gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ist die Beschwerde auch dann zulässig, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel eröffnet ist.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; SGG § 55 Abs. 1, § 73a Abs. 1 S. 1, § 144 Abs. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 1, 3 Nr. 1; ZPO § 114 S. 1, §§ 115, 119 Abs. 1 S. 1; SGB II § 16 Abs. 2; SGB III § 85
Tenor
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 30. April 2008 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerden sind nur zum Teil statthaft, im Übrigen aber unbegründet.
Nach § 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444; im folgenden neue Fassung, n. F.) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Diese Vorschrift ist auch auf das am 19. Februar 2008 beim Sozialgericht (SG) Potsdam angebrachte Rechtsschutzgesuch, über das das SG am 30. April 2008 entschieden hat, uneingeschränkt anzuwenden. Da der Gesetzgeber eine ausdrückliche Übergangsregelung nicht getroffen hat, ist hier die Frage, welche prozessrechtlichen Vorschriften in einer bestimmten Verfahrenslage anzuwenden sind, auf den “Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts„ abzustellen. Er besagt, dass eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst (stellvertretend hierzu wie zum folgenden Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 - und - 2 BvR 1728/90 -, BVerfGE 87, 48 mit zahlreichen Nachweisen). Ein Instanzenzug wird durch Art. 19. Abs. 4 Grundgesetz nicht gewährleistet. Dem Gesetzgeber ist es deshalb nicht verwehrt, ein bisher statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Lediglich für Rechtsmittelverfahren, welche im Zeitpunkt einer Gesetzesänderung bereits anhängig sind, lässt sich eine generelle einschränkende Konkretisierung des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts ableiten: Fehlen abweichende Bestimmungen, führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln gerade nicht dazu, dass die Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels entfällt (vgl. dazu bereits Beschluss des Senats vom 2. April 2008 - L 28 B 19/08 AS -).
Soweit die Klägerin im Ergebnis ihres Vortrages Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch Förderung der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme “Grundkurs Schuldnerberatung„ an der Fachhochschule Potsdam begehrt, wäre die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig. Für die Teilnahme an dem Kurs vom 22. Februar 2008 bis zum 12. Juli 2008 fallen Kursgebühren in Höhe von 565,- Euro an. Weitere Leistungen hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang nicht beantragt. Die Berufungssumme in Höhe von 750,- Euro (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG n. F.) ist damit nicht erreicht. Die Beschwerde ist nicht statthaft. Auch soweit die Antragstellerin lediglich die Verpflichtung zur Neubescheidung ihres entsprechenden Antrages gerichtet auf Übernahme der Maßnahmekosten geltend macht, gilt nichts anderes, da die Begrenzung des Beschwerdewertes auch entsprechende Verpflichtungsklagen als Klagen auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes erfasst (Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 144 RdNr. 13).
Die Ablehnung von Kosten der Weiterbildung mit der Begründung, bei der Begründung, die Antragstellerin sei nach eigenen Angaben auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig und deshalb nicht erwerbsfähig und gehöre also nicht zum förderfähigen Personenkreis (Bescheid vom 6. Februar 2008), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung des Beschwerdewertes. Dabei kann dahin stehen, ob zu erwarten ist, dass solche Begründungselemente auch zur Ablehnung weiterer Anträge führen werden. Über Folgestreitigkeiten ist (noch) nicht zu entscheiden. Rechtliche oder wirtscha...