Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialleistungsrecht: Verrechnung von Erstattungsansprüchen. Anforderungen an die Bestimmtheit des Verrechnungsbescheides. Verrechnung bei Wohnsitz im Ausland. Verwaltungsakt. Pflichtgemäßes Ermessen. Hilfebedürftigkeit. Anfechtungsklage
Leitsatz (redaktionell)
Ein Verwaltungsakt über eine Verrechnung ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn der für die Geldleistung zuständige Leistungsträger die zur Verrechnung gestellten Forderungen des ermächtigenden Trägers nicht im Einzelnen (nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit) aufschlüsselt.
Orientierungssatz
1. Der Verfügungssatz in einem Verrechnungsbescheid, mit dem Forderungen aus Sozialleistungen gegen laufende Sozialleistungen verrechnet werden, ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn die geschuldete, zur Verrechnung vorgesehene Leistung betragsmäßig genau beziffert ist und sich der monatliche Verrechnungsbetrag sowie der von der bezogenen Sozialleistung verbleibende Betrag erkennen lässt.
2. Bei der Frage der Zulässigkeit einer Verrechnung von Forderungen mit laufenden Sozialleistungen kommt es im Rahmen der Beurteilung möglicher, durch die Verrechnung verursachter, Hilfebedürftigkeit nicht darauf an, wo der Betroffene seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat. Dabei kommt es für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit auf die Verhältnisse im Aufenthaltsland an.
Normenkette
SGB I §§ 52, 51 Abs. 2, § 39 Abs. 1; SGB X § 33 Abs. 1; SGB XII § 24 Abs. 3; SGG § 54 Abs. 1, 2 S. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Forderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungen der Beklagten.
Der 1941 geborene, seit Juli 2001 in Brasilien lebende Kläger bezieht von der Beklagten seit 1. Juli 2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (AR; Bescheid vom 26. Juni 2001; Zahlbetrag ab 1. August 2001 = monatlich 1.859,40 DM). Die Beigeladene hatte mit Bescheid vom 4. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2002 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) gegenüber dem Kläger für die Zeit ab 30. Oktober 1989 “ganz„ aufgehoben und die Erstattung von gezahlter Alhi einschließlich gezahlter Pflichtbeiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung i.H.v. 319.070,37 DM (= 163.138,09 €) gefordert.
Nach teilweiser Tilgung der Erstattungsforderung i.H.v. 231.228,59 DM (= 118.225,30 €) ermächtigte die Beigeladene die Beklagte mit Ersuchen vom 7. Oktober 2002 schriftlich zur Verrechnung der Restforderung i.H.v. 44.912,79 € (= 87.841,78 DM). Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 11. September 2003) erklärte die Beklagte diesem gegenüber, die Forderung der Beigeladenen werde mit der laufenden Rentenzahlung verrechnet. Aus der laufenden monatlichen Rentenzahlung ab 1. August 2004 werde die Hälfte (= seinerzeit 490,67 €) im Verrechnungswege einbehalten (Bescheid vom 14. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004).
Im Klageverfahren hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, den im Strafverfahren (Amtsgericht Essen, Urteil vom 22. August 2000 - 50 Ls 300 Js 123/00) festgestellten Gesamtschaden der Beigeladenen in voller Höhe beglichen zu haben. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 14. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 und gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 23. November 2007). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte sei gemäß § 52 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I berechtigt, die bezeichnete und auch noch nicht beglichene Forderung der Beigeladenen mit den laufenden Rentenzahlungen zur Hälfte zu verrechnen. Es liege eine Verrechnungslage vor. Die Beklagte habe die Verrechnung auch wirksam erklärt. Hilfebedürftigkeit des Klägers habe nicht vorgelegen bzw. sei nicht dargetan. Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Berufungsbegründung vom 20. Oktober 2009 wird Bezug genommen.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Rentenakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind h...