Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschlag zu Alg II ist in die Bedürftigkeitsprüfung einzubeziehen
Orientierungssatz
1. Für eine einstweilige Anordnung auf Gewährung von Alg II besteht ein Anordnungsgrund, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft andernfalls das anzurechnende Einkommen das Existenzminimum unter Berücksichtigung der Aufwendungen zur Erlangung eines Krankenversicherungsschutzes unterschreiten würde.
2. Es ist nicht verfassungswidrig, dass für die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit bezüglich eines Anspruchs auf Alg II bei Bedarfsgemeinschaften nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB 2 auch das Einkommen und Vermögen des Partners berücksichtigt wird (Anschluss an BVerfGE 87, 234).
3. Bei der Errechnung eines Alg II-Anspruchs in einer Bedarfsgemeinschaft darf die Versicherungspauschale von 30 € monatlich nach §§ 11 Abs. 2, 30 SGB 2, § 3 Alg IIV nur einmal abgezogen werden, weil bei der Mitversicherung von Partner und Kind entsprechende Versicherungen üblicherweise nur einmal abgeschlossen werden.
4. Der befristete Zuschlag zum Alg II nach § 24 SGB 2 ist bei der Bedürftigkeitsprüfung auch dann einzubeziehen, wenn der Alg II-Anspruch erst dadurch entsteht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2005 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II in Höhe von 113,39 € für den Juli 2005, von 115,25 € für den August 2005, von 335,80 € für den September 2005 und von 288,10 € für den Oktober 2005 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vier Fünftel seiner notwendigen Auslagen für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Der 1959 geborene Antragsteller, der bis zum 11. Februar 2004 Arbeitslosengeld I in Höhe eines wöchentlichen Zahlbetrages von 200,83 € und ab dem Folgetag Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, beantragte am 20. Oktober 2004 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Bei dieser Gelegenheit gab er an, mit der 1969 geborenen B L in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Diese beziehe aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ein monatliches Gehalt. Sie bewohnten mit dem 1995 geborenen Sohn D eine 3-Zimmer-Wohnung.
Mit Bescheid vom 22. November 2004 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung der beantragten Leistung mangels Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers, mit dem dieser insbesondere geltend machte, dass das ihm bis zum 11. Februar 2004 zustehende Arbeitslosengeld zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei, wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 zurück. Der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig. Die Regelleistung in Höhe von 345,00 € verringere sich bei mindestens 18-jährigen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft auf jeweils 311,00 €. Weiter seien Kosten für Miete und Unterkunft anzusetzen, dabei jedoch die geltend gemachten Heizkosten in Anwendung von § 2 Abs. 2 der Regelsatzverordnung zu § 28 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches um einen Pauschalbetrag für Warmwasser in Höhe von 30,50 € zu kürzen. Dem sich auf 1.298,19 € belaufenden Gesamtbedarf stehe ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.401,64 € gegenüber. Dieser Betrag errechne sich aus dem Nettoeinkommen der Lebensgefährtin, das um eine Pauschale für angemessene Versicherungen in Höhe von 30,00 €, Fahrkosten in Höhe von 22,80 €, Kosten für eine Kfz-Versicherung von 19,10 €, einen Freibetrag von 15,33 € sowie einen weiteren Freibetrag nach § 30 SGB II bereinigt worden sei, zzgl. des Kindergeldes in Höhe von 154,00 €.
Mit seinem am 23. Juni 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller, der zuvor Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben hatte, die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt, ihm Arbeitslosengeld II zu gewähren und insbesondere die Kosten für eine Krankenversicherung zu übernehmen. Ein Leistungsanspruch nach § 19 SGB II ergebe sich schon daraus, dass ihm ein Zuschlag nach § 24 SGB II wegen Bezuges von Arbeitslosengeld bis zum 11. Februar 2004 gewährt werden müsse. In die Bedarfsberechnung sei nach § 19 SGB II der Zuschlag nach § 24 SGB II einzubeziehen, so dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft nicht ausreiche, deren Bedarf zu decken. Weiter sei er seit dem 01. Januar 2005 nicht mehr pflichtversichert; eine Familienversicherung sei nicht möglich. Es seien daher wenigstens die fiktiven Beiträge gemäß § 246 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches in Höhe von 140,00 € zu berücksichtigen und bei dem anzurechnenden Einkommen des Partners abzuziehen. Ferner seien das anrechenbare Einkommen und die Heizkosten unzutreffend ermittelt. Von den nachgewies...