Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Pflicht zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente. Umfang der Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Aufforderung zur Rentenantragstellung
Orientierungssatz
Die Entscheidung, ob ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, der das 63. Lebensjahr vollendet hat, zur Stellung eines Antrags auf Altersrente aufgefordert werden soll, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Grundsicherungsträgers. Dabei stellt die Pflicht zur Antragstellung den gesetzlichen Regelfall dar, so dass von einem insoweit intendierten Ermessen auszugehen ist, das nur beim Vorliegen besonderer Gründe dazu berechtigt, vom gesetzlichen Leitbild abzuweichen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 anzuordnen, mit dem der Antragsgegner die Antragstellerin dazu aufgefordert hat, eine vorgezogene Altersrente zu beantragen.
Der Antrag der Antragstellerin ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Denn abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat die gegen den Bescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 erhobene Klage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung, weil es sich bei dem genannten Bescheid um einen Verwaltungsakt handelt, mit dem die Antragstellerin im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert worden ist.
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es hier nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Zwar hat der Antragsgegner die Antragstellerin nunmehr zum dritten Mal zur Rentenantragstellung aufgefordert, so dass, sollte infolge einer der beiden ersten Mitwirkungsaufforderungen bereits ein Rentenantrag gestellt sein, Zweifel daran bestehen könnten, dass die Antragstellerin vorliegend ihr Rechtsschutzziel erreichen kann. Allerdings ist nach Aktenlage - auch nach den Akten der Deutschen Rentenversicherung (nachfolgend: DRV) - für einen derzeit offenen Rentenantrag nichts ersichtlich, was der Antragstellerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 9. März 2015 anlässlich einer telefonischen Rücksprache bei der DRV auch bestätigt worden ist. Im Übrigen fehlt es hinsichtlich der (zweiten) Mitwirkungsaufforderung vom 14. Oktober 2014 zwar - anders als hinsichtlich der ersten Mitwirkungsaufforderung - an einer Erklärung des Antragsgegners gegenüber der DRV, wonach der Erstattungs- und Rentenantrag bei der DRV als gegenstandslos zu betrachten sei. Andererseits hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. November 2014 den “Bescheid„ vom 14. Oktober 2014, also die Mitwirkungsaufforderung, aufgehoben, so dass nicht zu erwarten ist, dass sich der Antragsgegner auf einen etwaigen auf der Mitwirkungsaufforderung vom 14. Oktober 2014 fußenden Rentenantrag berufen würde.
Der zulässige Antrag ist aber nicht begründet. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine - auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller R...