Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürger. Leistungsausschluss. nicht verheiratete Partner. einstweiliger Rechtsschutz
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde der 1994 in Bulgarien geborenen, seit Februar 2019 in Deutschland lebenden Antragstellerin ist nicht begründet. Der Antragsgegner war nicht im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, für die Zeit ab 9. März 2022 (Antragseingang) für die Dauer von sechs Monaten, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, der Antragstellerin, die die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem nicht mit ihr verheirateten Partner M S (geb. 1994) und den gemeinsamen, am 1. Oktober 2017 und 8. April 2019 geborenen Kindern K Hund H H, zu gewähren, die bereits im laufenden Leistungsbezug des Antragsgegners, zuletzt seit 1. März 2022, stehen. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Regelung.
Für etwaige Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) gilt dies schondeshalb, weil nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin einer entsprechenden Mietzinsforderung für die im Rubrum bezeichnete Unterkunft ausgesetzt wären. Der vorgelegte Mietvertrag für die von der Antragstellerin und ihrer Familie bewohnte Unterkunft weist als Mieter der Wohnung H M (geb. 1974) auf, bei dem es sich augenscheinlich um den Vater des Lebensgefährten der Antragstellerin handelt, mit dem und dessen Ehefrau die Antragstellerin mit ihrer Familie zusammen lebt. Hinzu kommt, dass die tatsächlichen anteiligen KdUH iHv mtl 571,43 € (4/7 der Gesamtkosten) bereits iHv insgesamt 428,55 € vom Antragsgegner getragen werden (vgl Bescheid vom 9. Februar 2022), der auch den Eltern des Lebensgefährten anteilige KdUH-Leistungen erbringt.
Die Antragstellerin ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II zudem von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil ihr (allenfalls) ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zusteht und sie sich nicht seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält (vgl Rückausnahme in § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Ein hier in Betracht zu ziehendes abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehörige bzw nahestehende Person scheidet aus.
Zwar steht dem Partner der Antragstellerin als Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zu. Aus diesem Aufenthaltsrecht des Partners kann die mit ihrem Partner nicht verheiratete Antragstellerin nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU - anders als die gemeinsamen Kinder - kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige (vgl § 1 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU) ableiten. Als nahestehende Person iSv § 1 Abs. 2 Nr. 4c FreizügG/EU könnte ihr zwar nach Maßgabe des mWv 24. November 2020 durch Gesetz vom 12. November 2020 (BGBl I 2416) eingefügten § 3a Nr. 3 FreizügG/EU auf Antrag das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verliehen werden, wenn ihr Lebensgefährte mit ihr im Bundesgebiet nicht nur vorübergehend zusammenlebt, wovon derzeit mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist. Ob hierzu eine individuell-konkrete Verwaltungsentscheidung erforderlich ist, bedarf keiner Beurteilung (vgl hierzu Hessisches Landessozialgericht ≪LSG≫, Beschluss vom 29. Juli 2021 - L 6 AS 209/21 B ER - juris - Rn 135). Denn jedenfalls fehlt es an den Regelungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die nach § 11 Abs. 5 FreizügG/EU in den Fällen des § 3a FreizügG/EU entsprechend anzuwenden sind. Denn der Lebensunterhalt der Antragstellerin ist ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gerade nicht gesichert (vgl § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Die Antragstellerin verfügt auch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland (§ 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU). Andere materielle Aufenthaltsrechte (als das zur Arbeitsuche) sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet auch ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union aus (vgl hierzu Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 6. Oktober 2020 - C-181/19 - juris). Denn dies setzt voraus, dass ein Kind der Antragstellerin die Schule besucht. Ihre 2017 und 2019 geborenen Kinder sind jedoch noch nicht schulpflichtig.
Ein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet folgt für die Antragstellerin auch nicht aus den für Nicht-EU-Ausländer geltenden Regelungen zum berechtigten Aufenthalt, dh dem AufenthG. Gemäß § ...