Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschreibung. Rahmenvereinbarung. Nachprüfungsantrag. Angebotskalkulation. Antragsbefugnis. Vergaberechtsverstoß. Zurückverweisung. Divergenzvorlage. Diskriminierungsverbot. Preisermittlung. ungewöhnliches Wagnis. parenterale Zubereitungen. Onkologie. Gebietslos. Auftragsvolumen. Verordnungsverhalten. Selektivvertrag. "händische" Auswertung. Trägerlösung. primäres Packmittel. Aut-idem-Kreuz. Originalpräparat. Generika. exklusiver Selektivvertrag. Wahlrecht. Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Vergabeverfahren kann nicht gerügt werden, dass durch eine mit der Ausschreibung bezweckte Gebietsmonopolisierung Rechte der Versicherten bzw der Sicherstellungsauftrag diesen gegenüber verletzt werden.
2. In der Rechtsrüge, § 129 Abs 5 S 3 SGB 5 gestatte es den Krankenkassen nicht, die Versorgung der Versicherten mit Arzneimittelzubereitungen in der Onkologie zur parenteralen Verabreichung im Weg der verkürzten Versorgung durch Selektivverträge mit einzelnen Apothekern sicherzustellen, von welchem die Vertragsärzte ausschließlich die Arzneimittel beziehen dürften, ist hinreichend deutlich der vergaberechtlich relevante Einwand enthalten, das Auftragsvolumen sei zu unbestimmt im Sinne des § 3a Nr 4 Abs 1 S 2 VOL/A bzw jedenfalls möglicherweise nicht so groß, wie dies die Ausschreibung vermuten lasse.
3. Aus dem Zusammenspiel des § 129 Abs 5 S 3 SGB 5 mit § 11 Abs 2 ApoG ergibt sich nicht, dass die Medikamentenbeschaffung durch den Versicherten selbst ausgeschlossen ist.
Orientierungssatz
1. Gesetzliche Krankenkassen stellen öffentliche Auftraggeber iS des § 98 Nr 2 GWB dar.
2. Die Regelung des § 31 Abs 1 S 6 SGB 5 beschränkt die Apothekenwahl nur auf die, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB 5 gilt.
Tenor
Der Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 1. April 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 12. April 2010 wird aufgehoben. Diese wird verpflichtet, über die Anträge der Beschwerdeführerin erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beschwerdegegnerin hat ihren Sitz in Potsdam. Sie schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 den Abschluss von Verträgen gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) (Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer) zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten im Offenen Verfahren europaweit aus.
Sie hatte den AOK-Bundesverband mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragt. Der streitige Auftrag betrifft die Versorgung auf dem Gebiet des Landes Berlin und ist in 13 Gebietslose, aufgeteilt nach Postleitzahlen, unterteilt. Die Gebietslose weichen im räumlichen Zuschnitt von der Aufteilung der Verwaltungsbezirke in Berlin ab.
Die Bekanntmachung bestimmte zunächst, dass Angebote “nur für ein Los" eingereicht werden sollten. Die Rahmenvereinbarungen sollen grundsätzlich für ein Jahr abgeschlossen werden. Zuschlagskriterium ist nach Ziffer IV.2.1 der niedrigste Preis. Varianten/Alternativangebote waren nicht zugelassen. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war zunächst der 2. März 2010, 12.00 Uhr, bestimmt.
Bestandteil der an die Interessenten versandten Verdingungsunterlagen war als Anlage 1 der Entwurf des Vertrages gemäß § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V über die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten (Rahmenvertrag). Als Anhang 1 zu diesem Rahmenvertrag übersandte die Beschwerdegegnerin ein Produktblatt, das Angaben zu den Abgabevolumina je Gebietslos - jeweils in mg pro Wirkstoff - abbildet. Je Wirkstoff soll durch die Bieter ein Preis pro Milligramm angeboten werden. In Ziffer 10 der Bedingungen für die Auftragsvergabe wies die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass sie Angaben zu dem voraussichtlichen Auftragsvolumen nur auf der Basis von Erfahrungswerten und Analysen aus der Vergangenheit machen könne. Künftige Mengen der für die Versicherten herzustellenden parenteralen Lösungen würden insbesondere vom Gesundheitszustand der AOK-Versicherten, dem Verordnungsverhalten der Ärzte sowie der vom Gesetzgeber vorgegebenen Struktur der ambulanten Versorgung abhängen. Auch die künftige Struktur und Anzahl der onkologischen Praxen bzw. der ambulant behandelnden Ärzte in dem jeweiligen Gebietslos könne Einfluss auf die Mengen haben. Insbesondere der Zu- und/oder Wegzug von Ärzten und/oder Praxen könne solche Schwankungen bewirken. Die im Produktblatt angegebenen Mengen seien auf das erste Halbjahr 2009 bezogen und stellten das gesamte von den Ärzten verordnete Volumen in diesem Zeitraum dar, das für Versicherte der AOK Berlin-Brandenburg in Berlin verordnet wurde.
Mit Schreiben v...