Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Härtefall

 

Orientierungssatz

1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können nach § 7 Abs. 5 S. 2 SGB 2 in besonderen Härtefällen als Darlehen gewährt werden. Ein solcher liegt dann vor, wenn die Folgen des gesetzlichen Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist.

2. Hat ein Auszubildender trotz eines schlechten Schulabschlusses aufgrund eigener Bemühungen einen Ausbildungsplatz gefunden und diesen trotz erheblicher familiärer und persönlicher Schwierigkeiten halten können, so stellt die Befürchtung, er werde bei einer Versagung der Leistungen nach dem SGB 2 die Ausbildung abbrechen müssen, einen Fall besonderer Härte dar.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch seine außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2006, mit dem das Sozialgericht den Antragsgegner sinngemäß verpflichtet hat, dem Antragsteller ab dem 18. Oktober 2006 bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über seinen Antrag vom 18. Oktober 2006 auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), längstens jedoch bis zum 18. April 2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 517, 94 € auf Darlehensbasis zu gewähren, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) als Darlehen. Hiernach können in besonderen Härtefällen entsprechende Leistungen als Darlehen gewährt werden. Ein solcher Härtefall ist im Falle des Antragstellers gegeben. Der Senat sieht insoweit und hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsgrundes von einer weiteren Begründung ab, und weist die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerdebegründung vermag an der Richtigkeit dieser Entscheidung nichts zu ändern.

Dies gilt unabhängig davon, ob man in Anlehnung an die obergerichtliche Rechtsprechung zur Vorläufervorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in § 26 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) das Vorliegen einer besonderen Härte (vorrangig) daran misst, ob die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinaus gehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Ausbildung verbunden ist, und vom Gesetzgeber so bewusst in Kauf genommen wurde (grundlegend Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.10.1993, - 5 C 16/91 -, BVerwGE 94, 224 ff.) oder ob man einer typisierenden auch schon unter Geltung des BSHG von Instanzgerichten bevorzugten Betrachtungsweise folgt (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNrn. 47 ff.; Münder, SGB II, § 7 RdNrn. 74 ff.; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 22 SGB II RdNrn. 32 ff und Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 5. Juli 2006, - L 10 AS 545/06 -, zitiert nach Juris, jeweils mit Aufzählungen von Fallgruppen).

Denn nach der auch unter Geltung des SGB II in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte teilweise fortgeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 26 BSHG (u. a.: Beschlüsse des LSG Niedersachsen - Bremen vom 14.04.2005, - L 8 AS 36/05 ER -, vom 02.02.2006, - L 8 AS 439/05 ER -; LSG Berlin-Brandenburg vom 26.01.2006, - L 5 B 1351/05 AS ER -, L 5 B 1352/05 AS PKH -; Thüringer LSG, Beschluss vom 22.09.2005, - L 7 AS 635/05 ER -), liegt ein besonderer Härtefall im Sinne von § 26 Satz 2 BSHG vor, wenn die Folgen des gesetzlichen Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist, wie die typische Konsequenz, dass die Ausbildung nicht begonnen oder gar abgebrochen werden muss, und auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart erscheint.

Ein derartiger Sachverhalt ist hier gegeben. Nach dem von dem Verbund Soziale Arbeit Berlin/Brandenburg im wesentlichen bestätigten Vortrag des Antragstellers hat er trotz eines sehr schlechten Abschlusszeugnisses aufgrund persönlicher Kontakte einen Ausbildungsplatz (“Maler und Lackierer„) in einem kleineren Betrieb gefunden, der bisher nicht ausgebildet hat. Diesen Ausbildungsplatz hat er auch trotz aufgetretener Fehlzeiten sowie massiver familiärer und persönlicher Schwierigkeiten bisher nicht verloren. Bei einem durch die Versagung der in diesem Verfahren streitbefangenen Leistungen bedingten Abbruch der Ausbildung stünde deshalb zu befürchten, dass der Antragsteller nicht nur diesen konkreten Ausbildungsplatz verlieren, sondern dauerhaft ohne Berufsausbildung bleiben würde. Zu berücks...

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