Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einem Internat. Erforderlichkeit des Besuchs einer Schule mit einem speziellen Förderschwerpunkt. Entfernung zum Wohnort 130 km. Nachrang der Sozialhilfe. vorrangiger Anspruch gegen den Schulträger. Durchsetzbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einem Internat als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn aufgrund einer Behinderung ein bestimmter Schultyp besucht werden muss (hier: Schule mit Förderschwerpunkt "Sehen") und die nächstgelegene Schule dieses Typs aufgrund der Entfernung zum Wohnort nicht täglich angefahren werden kann.

2. Ein Berufen auf den Nachrang der Sozialhilfe setzt voraus, dass ein vorrangiger Anspruch rechtzeitig durchgesetzt werden kann und die anderweitige Hilfe tatsächlich bereitsteht.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 08. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht Neuruppin hat den Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) - vorläufig - verpflichtet, der Antragstellerin Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kostenbeteiligung in Höhe von 96 € pro Monat für die Unterbringung im Internat der Sin K zur Ermöglichung des Schulbesuchs der Schule für Blinde und Sehbehinderte für das Schuljahr 2012/2013 längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu gewähren.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils an den Kosten ihrer Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte (K W) im Rahmen der Eingliederungshilfe glaubhaft gemacht.

Dieser Anspruch folgt aus §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung - EinglHVO -. Danach sind Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zu einer allgemeinen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, und diese Hilfen umfassen auch Maßnahmen zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, den Behinderten den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Ob die Antragstellerin hierbei aufgrund ihrer Behinderungen zum Personenkreis des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehört, wovon das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen ist und was der Beschwerdeführer im Hinblick darauf bestreitet, dass die Antragstellerin im Fernbereich noch über eine Sehschärfe von 0,5 auf dem rechten Auge verfügt, konnte der Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen lassen. Die Frage, ob schon aufgrund der autistischen Störung der Antragstellerin oder aufgrund der weiteren durch augenärztliches Gutachten vom 15. Juni 2012 festgestellten Störungen der Sehfunktion ihrer Sehbehinderung ein entsprechender Schweregrad zukommt, wie den von § 1 Nr. 4 a) EinglHVO erfassten Fällen (s. § 1 Nr. 4 b) EinglHVO), wird gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären sein.

Denn jedenfalls gehört die Antragstellerin aufgrund der mit dem oben genannten Gutachten, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, festgestellten massiven Beeinträchtigung ihrer Sehkraft sowie der bei ihr zusätzlich diagnostizierten seelischen Behinderung “Asperger-Syndrom„ unstreitig zum Kreis der von § 53 Absatz 1 Satz 2 SGB XII erfassten Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten können.

Die Antragstellerin hat jedenfalls einen Anspruch auf eine (Ermessens-)Leistung der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 Satz 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 EinglHVO hinreichend glaubhaft gemacht.

Hierbei war zu berücksichtigen, dass ein in der Hauptsache geltend zu machender Anspruch auf Gewährung einer im Ermessen des Sozialhilfeträgers stehenden Leistung nur dann besteht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und dementsprechend eine Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn sich der zu Grunde liegende materiell-rechtliche Anspruch auf erm...

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