Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsfaktor, Regelaltersgrenze
Orientierungssatz
Der Wortlaut des § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. b SGB VI steht nicht einer Auslegung entgegen, wonach ein höherer Zugangsfaktor nur dann in Betracht kommt, wenn nach Erreichen der Regelaltersgrenze auch keine Altersrente nach dem RÜG in Anspruch genommen wird. Denn die Formulierungsbestandteile “Renten wegen Alters„ beziehungsweise “Regelaltersgrenze„ lassen gerade auch die Berücksichtigung einer Rente nach Art. 2 § 4 RÜG zu.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer höheren Altersrente unter Zugrundelegung eines erhöhten Zugangsfaktors.
Die Klägerin wurde 1934 geboren. Sie legte Pflichtbeitragszeiten ausschließlich im Beitrittsgebiet zurück; ferner liegen Höherversicherungszeiten vor. Auf ihren Rentenantrag vom 22. Februar 1994 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 01. Dezember 1994 eine Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahrs für Frauen nach Art. 2 § 4 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG).
Die Klägerin beantragte am 13. Oktober 2007 für die Zeit ab 01. Dezember 1999 eine Regelaltersrente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 13. November 2007 für die Zeit ab 01. Januar 2003 eine Regelaltersrente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0. Die Klägerin erhob am 12. Dezember 2007 Widerspruch. Sie führte zur Begründung aus, dass Überentgelte für 1965 und 1966 fehlen würden. Ferner müsse der Zugangsfaktor höher sein. Mit Bescheid vom 11. Februar 2008 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und stellte die Rente unter Berücksichtigung der Beitragszeiten vom 01. Januar 1965 bis zum 30. September 1966 und unter Beibehaltung des Zugangsfaktors 1,0 neu fest. Sie führte zur Begründung aus, dass der für einen erhöhten Zugangsfaktor erforderliche Verzicht auf eine Rentenleistung nicht bestehe, weil bereits eine Altersrente seit dem 01. Dezember 1994 nach Art. 2 RÜG bezogen worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2008 im Übrigen zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass es sich bei der Altersrente nach dem RÜG um keine dynamische Rente, sondern um einen eigenständigen Anspruch neben dem Rentenanspruch nach dem SGB VI handele. Die Klägerin habe nach Vollendung des 65. Lebensjahrs ab dem 01. Dezember 1999 einen Anspruch auf Regelaltersrente nach dem SGB IV. Ihr sei die Regelaltersrente nach dem verspäteten Hinweis auf eine entsprechende Rentenantragstellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unter Beachtung der Ausschlussfrist nach § 44 Abs. 4 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu gewähren. Ein höherer Zugangsfaktor sei ihr indes nicht zuzugestehen, weil sie tatsächlich nicht auf eine Rentenleistung verzichtet habe, denn sie habe bereits seit Vollendung des 60. Lebensjahrs eine Altersrente nach Art. 2 RÜG bezogen.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 08. September 2008 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich die in § 77 Abs. 2 SGB VI enthaltene Regelung systemimmanent ausschließlich auf Rentenansprüche nach dem SGB VI beziehe, indem der Gesetzgeber hier bewusst von Entgeltpunkten spreche. Zusätzliche Rentenleistungen mit Übergangscharakter, wie sie in Art. 2 RÜG vorgesehen und welche überdies nicht dynamisch seien, seien von dieser gesetzlichen Regelung nicht erfasst. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung weiche vom Gesetzeswortlaut ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch bei einem wegen § 44 Abs. 4 SGB X verspäteten Rentenbeginn ein Zuschlag nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 lit. b SGB VI zu gewähren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Juni 2010 abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchsbescheids angeschlossen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 01. Juli 2010 zugestellte Urteil am 21. Juli 2010 Berufung eingelegt, ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 13. November 2007 und 11. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente einen um 0,185 erhöhten Zugangsfaktor zu Gründe zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Der Senat hat die Beteiligten unter dem 07. Dezember 2010 zum beabsichtigten Erlass eines Beschlusses gemäß § 153 A...