Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Hilfebedürftigkeit aufgrund eines vom Grundsicherungsträger zur Bedarfsdeckung angebotenen Darlehens

 

Orientierungssatz

1. Sind Leistungen der Grundsicherung beantragt und lässt sich die Hilfebedürftigkeit nicht feststellen, so geht dies grundsätzlich zu Lasten des Antragstellers. Dies erlaubt es aber nicht, den Zufluss von Einkommen, welcher der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegenstehen könnte, zu unterstellen. Dementsprechend muss der Grundsicherungsträger Leistungen erbringen, wenn vorrangige Leistungen nicht zu realisieren sind und als bereite Mittel nicht zur Verfügung stehen.

2. Entscheidend ist, ob Einkommen in Geld oder Geldeswert im jeweils zu beurteilenden Zeitraum in einer Höhe konkret zur Verfügung steht, das den Gesamtbedarf vollständig deckt.

3. Bietet der Grundsicherungsträger dem Antragsteller eine im Verhältnis zu der von diesem beanspruchten Leistung im Wesentlichen gleichwertige Leistung an, so fehlt es an dem im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller davon keinen Gebrauch macht. Dies gilt auch dann, wenn diese Leistung anstelle eines Zuschusses darlehensweise angeboten wird. Dadurch ist der Antragsteller in der Lage, seinen Bedarf durch das angebotene Darlehen zu decken.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers zu 2 wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2014 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache längstens bis zum 30. Juni 2014 verpflichtet, ab 01. April 2014 an den Antragsteller zu 2 zu Händen der Antragstellerin zu 1 als erziehungsberechtigte Mutter des Antragsteller zu 2 weitere 180 Euro monatlich zu zahlen.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1 wird abgelehnt.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zu 2 dessen außergerichtliche Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Anträge der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden abgelehnt.

 

Gründe

Im Streit ist im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Höhe zu gewährender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 2003 geborene Antragsteller zu 2 lebt mit seiner 1983 geborenen Mutter, der Antragstellerin zu 1, in einer Bedarfsgemeinschaft. Mit Bescheid vom 02. Januar 2014 wurden ihnen aufgrund ihres Antrages Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 bewilligt, wobei auf den Bedarf des Antragstellers zu 2 ein Unterhaltsvorschuss in Höhe von 180 Euro monatlich sowie Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich angerechnet wurde. Der Antragsteller zu 2 erhält tatsächlich in dieser Höhe Kindergeld, einen Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhält er hingegen nicht. Gegen den Bewilligungsbescheid wurde Widerspruch eingelegt und mit dem am 07. Januar 2014 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz ein Antrag nach § 86 b Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt. Die Antragsteller meinen, Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 180 Euro zu haben. Als Anspruch nach dem SGB II seien nur die ihnen tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkünfte als Einkommen zu berücksichtigen. Der Antragsgegner könne den Antrag auf Unterhaltsvorschuss selbst stellen. Die Antragsteller lebten gegenwärtig unter dem Existenzminimum.

Erstinstanzlich wurde beantragt,

den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Unterhalt in Höhe von 180 Euro zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1 sei bereits unzulässig, da sie von der Anrechnung des Unterhaltsvorschusses rechtlich nicht betroffen sei. Der Antrag des Antragstellers zu 2 sei unbegründet. Die Antragstellerin zu 1 sei ihren Mitwirkungsverpflichtungen anlässlich des seitens des Antragsgegners gestellten Antrages auf Unterhaltsvorschuss gemäß § 5 Abs. 3 SGB II nicht nachgekommen. Der Antrag sei abgelehnt worden. Mit Bescheid vom 02. Januar 2014 sei der Unterhaltsvorschuss ab 01. Januar 2014 in Höhe von 180 Euro bedarfsmindernd beim Antragsteller zu 2 angerechnet worden. Die Beantragung eines Darlehens in Höhe des angerechneten Unterhaltsvorschusses sei eine zumutbare Möglichkeit zur vorläufigen Bedarfsdeckung bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2014 bot der Antragsgegner dem Antragsteller zu 2 ein Darlehen in Höhe von 180 Euro ab 01. Januar 2014 mit Rückzahlungsmodalitäten gemäß § 42 a SGB II an. Die Antragstellerin zu 1 könne als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers zu 2 eine fortwährende monatliche Darlehensbeantragung vermeiden, indem sie ihren Mitwirkungspflichten gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle nachkomme und den Unterhaltsvorschuss als gegenüber dem SGB II vorrangige ...

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