Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Übernahme rückständiger Beiträge zur privaten Pflegeversicherung. fehlender Anordnungsgrund. Ausschluss der Kündigung. Übernahme rückständiger Beiträge zur privaten Krankenversicherung. fehlender Anordnungsanspruch. fehlende Rechtsgrundlage. kein unabweisbarer Bedarf. kein Ruhen des Leistungsanspruchs gegen die private Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung der (darlehensweisen) Übernahme rückständiger Beiträge zur privaten Pflegeversicherung durch den Grundsicherungsträger fehlt es an einem Anordnungsgrund, da eine Kündigung der Pflegeversicherung seitens des Versicherungsunternehmens nach § 110 Abs 4 iVm § 110 Abs 1 SGB 11 aufgrund des bestehenden Kontrahierungszwangs ausgeschlossen ist (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 1.7.2011 - L 14 AS 618/11 B ER).
2. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung der (darlehensweisen) Übernahme rückständiger Beiträge zur privaten Krankenversicherung durch den Grundsicherungsträger fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Bei Beitragsschulden handelt es sich nicht um einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf, so dass § 24 Abs 1 S 1 SGB 2 als Anspruchsgrundlage ausscheidet (vgl LSG Stuttgart vom 16.8.2011 - L 7 AS 1953/11 ER-B). Auch liegt kein unabweisbarer Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2 vor.
3. Auch im Falle von Beitragsrückständen endet gem § 193 Abs 6 S 5 VVG 2008 das Ruhen des Leistungsanspruchs gegen die private Krankenversicherung, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig iS des SGB 2 oder des SGB 12 wird.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bleibt hiervon unberührt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der T R wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen zum Ausgleich von Beitragsrückständen bei seiner privaten Krankenversicherung und seiner Pflegeversicherung zu gewähren, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
In Bezug auf die rückständigen Beiträge für die Pflegeversicherung fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn abgesehen davon, dass gegenwärtig keine Notwendigkeit für die Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung durch den Antragsteller besteht, ist eine Kündigung der Pflegepflichtversicherung seitens des Versicherungsunternehmens gemäß § 110 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch angesichts des bestehenden Kontrahierungszwangs des privaten Versicherungsunternehmens ausgeschlossen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2011 - L 14 AS 618/11 B ER - juris).
Soweit der Antragsteller die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich von Beitragsrückständen bei seiner privaten Krankenversicherung begehrt, steht der Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zwar nicht bereits der Umstand entgegen, dass der Antragsgegner zumindest über einen Teil der hier in Rede stehenden Beitragsrückstände durch Bescheid vom 11. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 bestandskräftig - abschlägig - entschieden hat. Denn insoweit hat der Antragsteller bei dem Antragsgegner einen Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gestellt (vgl. Beschluss des Senats vom 1. November 2011 - L 25 AS 1646/11 B ER - juris). Er hat mit Schreiben vom 4. März 2011 die “Überprüfung aller Bewilligungsbescheide im Hinblick auf die Beiträge der H Krankenversicherung„ beantragt. Soweit davon nicht die Zeiträume vor dem Beginn des Leistungsbezuges des Antragstellers am 23. April 2010 und damit namentlich nicht die Beitragsrückstände von Dezember 2009 bis 22. April 2010 erfasst sind, hat der Antragsteller mit weiterem Schreiben vom 4. März 2011 einen Überprüfungsantrag auf “Übernahme [s]einer Rückstände der Krankenversicherungsbeiträge von Dezember 2009 bis April 2010 in Höhe von 1.300,42 €„ gestellt. Dieses Schreiben hat zwar nur die damals mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Frau S J unterschrieben, so dass zweifelhaft sein könnte, um wessen Beitragsrückstände es gehen soll. Der Kopf des Schreibens, in dem auch der Name des Antragstellers erwähnt ist, sowie eine offenkundig dem Schreiben beigefügte und an den Antragsteller gerichtete Beitragsaufstellung der H Krankenversicherung vom 19. November 2010 für den Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010, aus der sich - ohne Säumniszuschläge - exakt ein Betrag für rückständige Beiträge zur Kranken- und ...