Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. örtliche Zuständigkeit. Prüfung durch Rechtsmittelgericht. keine Hauptsacheentscheidung des Ausgangsgerichts. Abweisung der Klage als unzulässig. Eilverfahren. keine Ablehnung des Antrags zugleich aus prozessrechtlichen und sachlich-rechtlichen Gründen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prüfungssperre nach § 98 S 1 SGG iVm § 17a Abs 5 GVG tritt nicht ein, wenn das Ausgangsgericht gar keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Dies ist der Fall, wenn das Gericht die Klage als unzulässig abweist oder - so wie hier - einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als unzulässig ablehnt, gerade weil die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben ist.
2. Wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung darf ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zugleich aus prozessrechtlichen und sachlich-rechtlichen Gründen abgelehnt werden. Aus diesem Grund ist eine von der Vorinstanz der Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung bei der Bestimmung des maßgeblichen Entscheidungsinhalts als nicht geschrieben zu behandeln.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Mai 2021 aufgehoben.
Das einstweilige Rechtsschutzverfahren des Antragstellers wird an das örtlich zuständige Sozialgericht Köln verwiesen.
Die (weitere) Beschwerde an das Bundessozialgericht betreffend die Verweisung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens des Antragstellers an das Sozialgericht Köln wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der 1988 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer zu 2 (im Folgenden nur noch Antragsteller genannt), der seit dem 01. Juni 2018 in der Hstraße in B G wohnt, ist der Sohn des 1953 geborenen Beschwerdeführers zu 1, mit dem er zuvor in dessen Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zusammen lebte.
Am 06. Mai 2021 hat der Beschwerdeführer zu 1 beim Sozialgericht (SG) Berlin einen Eilantrag „für“ den Antragsteller gestellt, der darauf gerichtet war, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II und Übergangsgeld für die Zeit ab Juni 2018, Zinsen für die Nachzahlung sowie einen Vorschuss in Höhe von zumindest 3.000 EUR zu zahlen (Scheiben vom 06. Mai 2021, per Fax).
Der Antragsgegner hat in seiner Erwiderung auf den Eilantrag (des Antragstellers) darauf hingewiesen, dass das SG Berlin nicht zuständig sei, weil der Antragsteller bereits seit dem „08. Juni 2018“ unter der oben bezeichneten Adresse wohne.
Das SG Berlin hat den Eilantrag abgelehnt (Beschluss vom 25. Mai 2021). Soweit der Beschwerdeführer zu 1 im eigenen Namen Rechte für den Antragsteller geltend gemacht habe, fehle ihm die Prozessführungsbefugnis. Die geltend gemachten Ansprüche stünden nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu 1 dem Antragsteller zu und es läge kein Fall einer zulässigen Prozessstandschaft vor. Die Bedarfsgemeinschaft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei kein Fall einer gesetzlichen Prozessstandschaft. Soweit der Antragsteller, vertreten durch den Beschwerdeführer zu 1, gerichtlichen Eilrechtsschutz begehre, sei das SG Berlin nach § 57 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zuständig. Außerdem sei der Antrag nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG erfolglos, weil weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Überprüfung von Ansprüchen für das Jahr 2018 glaubhaft gemacht worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde.
Der Senat hat die Beteiligten mit der Eingangsmitteilung vom 09. Juni 2021 zu der Absicht gehört, das einstweilige Rechtsschutzverfahren des Antragstellers an das Sozialgericht Köln zu verweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil das SG Berlin über ein vom Beschwerdeführer zu 1 nicht anhängig gemachtes einstweiliges Rechtsschutzbegehren entschieden hat (dazu unter 1.) und trotz seiner örtlichen Unzuständigkeit den Eilantrag des Antragstellers nicht an das örtlich zuständige SG Köln verwiesen hat, sondern diesen Eilantrag wegen seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt hat (dazu unter 2.).
1. Entgegen der Auffassung des SG Berlin hat der Beschwerdeführer zu 1 gerade nicht im Wege der Prozessstandschaft (behauptete) Ansprüche des Antragstellers im eigenen Namen geltend gemacht, sondern er hat stattdessen ein einstweiliges Rechtsschutzbegehren namens des Antragstellers anhängig gemacht. Denn die Ausführungen des Beschwerdeführers zu 1 in der Antragsschrift vom 06. Mai 2021 können schon wegen des verwendeten Wortes „für“ sprachlich nur so verstanden werden. Dies hat auch der Antragsgegner so gesehen. Es ist auch nicht so, dass sich der Beschwerdeführer zu 1 im weiteren Verlauf des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem SG Berlin in einer Weise geäußert hat, die den Schluss des SG Berlin rechtfertigen könnte, der Beschwerdeführer zu 1 habe nachträglich - neben dem ursprünglich allein für den Antragsteller gestel...