Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Berufung. Zulässigkeit. Beschwerdewert
Leitsatz (amtlich)
1.) Von einer willkürlichen und missbräuchlichen Geltendmachung weiterer Ansprüche mit dem Ziel, den Beschwerdewert in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zu erreichen, kann nur dann die Rede sein, wenn mit der Klageerweiterung Ansprüche geltend gemacht werden, auf die der Kläger offensichtlich keinen Anspruch hat oder die zu dem Streitgegenstand schlechthin keinen Zusammenhang aufweisen.
2.) Hat das Sozialgericht irrtümlich eine Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung getroffen, obwohl die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist, so ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde allein die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung aufzuheben.
3.) Das Beschwerdeverfahren wird nicht in analoger Anwendung von § 145 Abs. 5 SGG als Berufungsverfahren fortgeführt; es bedarf vielmehr der gesonderten Einlegung der Berufung.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2004 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2004. Mit seiner Klage begehrte er zuletzt durch Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2004 die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Kosten für eine ambulante Lasertonsillotomie (432,77 Euro), von Fahrtkosten (7,34 Euro), von Kosten für Arznei- und Verbandmittel (10,00 Euro) sowie von Kinderpflegekrankengeld (92,00 Euro; insgesamt 542,11 Euro).
Mit Urteil vom 20. Januar 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Außerdem hat es die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen, weil der Beschwerdewert nur 432,77 Euro betrage und die übrigen Posten willkürlich geltend gemacht worden seien, um den Berufungsstreitwert von 500,00 Euro zu erreichen. Gründe für die Zulassung der Berufung lägen nicht vor. Hiergegen hat der Kläger am 3. März 2004 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2008 hat der Berichterstatter dem Kläger mitgeteilt, dass gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 20. Januar 2004 die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft sei, weil es über eine Klageforderung von 542,11 Euro zu entscheiden gehabt habe. Die Rechtmittelbelehrung sei daher unrichtig, die Nichtzulassungsbeschwerde sei unstatthaft. Es werde angeregt, die nicht in eine Berufung umdeutbare Nichtzulassungsbeschwerde zurückzunehmen und gegebenenfalls Berufung unter Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einzulegen. Am 4. März 2008 hat der Kläger erklärt, in seinem Rechtsmittelschriftsatz vom 3. März 2004 sei auch eine Berufung zu sehen. Höchstvorsorglich werde erneut Berufung gegen das Urteil vom 20. Januar 2004 eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet; sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts über die Nichtzulassung der Berufung. Denn die Berufung ist kraft Gesetzes nach § 143 SGG zulässig.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung u. a. der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Hiervon ist das Sozialgericht zu Unrecht ausgegangen, denn mit 542,11 Euro übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes die gesetzliche Grenze von 500 Euro. Maßgeblich für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist insoweit der Geldbetrag, um den unmittelbar gestritten wird und der sich hier aus dem in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2004 gestellten Klageantrag ergibt. Eine Zusammenrechnung einzelner geltend gemachter Posten darf nur dann nicht erfolgen, wenn damit willkürlich ein im Gesetz nicht vorgesehener Anspruch verfolgt wird, um missbräuchlich Berufungsfähigkeit herbeizuführen (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 18 zu § 144). Von einer missbräuchlichen Klageerweiterung kann vorliegend indessen nicht die Rede sein. Die Klage war zunächst unbeziffert auf Erstattung der Kosten für die ambulante Lasertonsillotomie gerichtet (Schriftsätze vom 28. Oktober 2002 und 27. März 2003). Erst nach Erlass des Gerichtsbescheides vom 15. August 2003, auf den hin mündliche Verhandlung beantragt wurde, spezifizierte der Kläger seinen Klageantrag auf 542,11 Euro. Weil damit schon der erste überhaupt einen Klageantrag beziffernde Schriftsatz 542,11 Euro zum Streitgegenstand machte und auch eine Erstattung der einzelnen geltend gemachten Posten nicht schlechthin abwegig erscheint, sie vielmehr in direktem Zusammenhang mit der ambulanten Operation stehen, hätte das Sozialgericht die Berufung nicht wegen “willkürlicher Geltendmachung weiterer Ansprüche„ als unzulässig ansehen dürfen.
Da die Berufung d...