Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwert. Streitwertbemessung im Zeitpunkt des Klageeingangs. keine Herabsetzung nach Verfahrensabschnitten für die Gerichtsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

Für eine Herabsetzung des Streitwerts nach Verfahrensabschnitten besteht für die Gerichtsgebühren seit Abschaffung der Urteilsgebühr im Kostenverzeichnis zum GKG (juris: GKG 2004) kein Raum mehr, weil Teilklagerücknahmen oder Teilerledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der Gerichtsgebühren führen können.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. März 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung durch drei Berufsrichter/Berufsrichterinnen. Zwar bestimmt § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), dass über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Diese Vorschrift ist allerdings auf solche Gerichte wie das Landessozialgericht, die eine generelle Entscheidung durch den Einzelrichter nach der jeweiligen Prozessordnung nicht kennen, nicht anwendbar (vgl. Beschluss des Senats vom 8. Juni 2020 - L 7 KA 14/20 B -, Rn. 1, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2021 - L 26 KR 394/20 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009, L 24 KR 33/09 R; Roos/Wahrendorf/Gutzler, SGG § 197a Rn. 34; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 2018, L 7 BA 1871/18 B, Rn. 15, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Juni 2017, L 5 KR 101/17 B; ausführlich zum Meinungsstand LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Februar 2015, L 9 KA 7/14 B, jeweils juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 155 Rn. 9d)

Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist zulässig. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Dabei ist nicht auf die streitige Höhe des Streitwertes abzustellen, sondern auf die sich daraus ergebende Höhendifferenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2016, L 6 SB 2664/16 B, juris; Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer /Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl. 2021, § 68 Rn. 6; Laube, in: BeckOK Kostenrecht, 34. Edition, Stand 1.7.2021, § 68 GKG, Rn. 70).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Ausgehend von einem Streitwert nach der Klagerücknahme von nur noch 148.195,99 Euro anstatt des vom Sozialgericht festgesetzten in Höhe von 279.945,45 Euro beträgt die einfache Gebühr nach § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) 2.615 Euro (bei dem höheren Streitwert) und bei dem von der Klägerin begehrten niedrigeren Streitwert betrüge diese Gebühr 1.937,00 Euro (vgl. Anlage 2 zum RVG), so dass die Differenz mehr als 200,00 Euro beträgt. Damit ist bereits dann, wenn man nur eine einfache Gebühr nach § 13 RVG zugrunde legt, der Beschwerdewert übertroffen.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch im Übrigen zulässig. Der erstinstanzliche Rechtsstreit ist durch das Urteil des Sozialgerichts vom 10. März 2021 abgeschlossen.

Das Sozialgericht hat schließlich eine ausdrückliche (negative) Abhilfeentscheidung getroffen. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG hat das Gericht, das den Streitwert festgesetzt hat, der Beschwerde abzuhelfen, soweit es sie für zulässig und begründet hält; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Letzteres ist hier geschehen; das Sozialgericht hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 2021 eine begründete Nichtabhilfeentscheidung getroffen (vgl. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl. 2021, 5. Aufl. 2021, GKG § 66 Rn. 54).

Die Streitwertbeschwerde ist jedoch unbegründet, denn die Streitwertfestsetzung ist der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - soweit wie hier nichts anderes bestimmt ist - der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG). Maßgebend für die Wertberechnung des gerichtlichen (!) Streitwerts ist der Zeitpunkt des den (jeweiligen) Streitgegenstand einleitenden Antrags, instanzeinleitend in diesem Sinne ist u.a. die Klage (Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl. 2008, § 40 Rn. 4). Bei unverändertem Streitgegenstand bleiben streitwerterhöhende bzw. streitwertmindernde Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eintreten, unberücksichtigt (Binz/Dörndorfer/...

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