Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Anknüpfung der Ausnahme des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB 2 an die tatsächliche Bemessung der Ausbildungsförderung. keine Rechtmäßigkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Auszubildende, die Leistungen nach dem in § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG bestimmten Bedarfssatz erhalten, sind gem § 7 Abs 6 Nr 2 SGB 2 nicht nach § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin einstweilen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 269,95 € zu gewähren. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
Die 1985 geborene und seit Jahren im Leistungsbezug stehende Antragstellerin lebt seit sechs Jahren nicht mehr bei den Eltern. Nach Einholung der entsprechenden Zusicherung vom Antragsgegner wohnt sie seit Juni 2006 allein in einer 32,77 m² großen Einzimmerwohnung; die Miete beträgt seit Februar 2009 302,42 € monatlich. Die Antragstellerin nahm im September 2008 eine zweijährige Ausbildung zur Fahrradmonteurin auf. Mit Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 20. Oktober 2008 wurden ihr für die Zeit vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) in Höhe von 212,- € monatlich bewilligt. In dem Bescheid heißt es, es bestehe unter Umständen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); nähere Auskünfte erteile das JobCenter. Der höhere Bedarf nach § 12 Abs. 2 BAFöG könne nicht anerkannt werden, weil die Antragstellerin die Ausbildungsstätte oder eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung ihrer Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könne. Aufgrund des Bescheides der Familienkasse Berlin Süd vom 24. November 2008 wird das Kindergeld von derzeit 164,- € monatlich an die Antragstellerin selbst ausgezahlt. Bis zum 30. Juni 2009 erhielt die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von zuletzt insgesamt 339,48 € monatlich. Der Antragsgegner war dabei von einem Bedarf in Höhe von 633,08 € (351,- € Regelleistung sowie 282,09 € Kosten der Unterkunft und Heizung) und anzurechnendem Einkommen in Höhe von 293,60 € (154,- € Kindergeld sowie 80 vom Hundert der BAFöG-Leistungen, also 169,60 €, abzüglich der Versicherungspauschale von 30,- €) ausgegangen.
Am 8. Juni 2009 beantragte die Antragstellerin die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. Juli 2009 mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Antragstellerin in einer im Rahmen des BAFöG förderungsfähigen Ausbildung sei. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 und 6 SGB II. Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin am 7. Juli 2009 Widerspruch ein.
Am 20. Juli 2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin um die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht und beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr Arbeitslosengeld II für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu bewilligen und bis zum Ende der Ausbildung auszuzahlen, gegebenenfalls Arbeitslosengeld II als Härtefall als Darlehen bis zum Ende Ausbildung 2010 zu bewilligen. Sie hat vorgetragen, sie könne weder zu ihrem leiblichen Vater noch zur Mutter und dem Stiefvater ziehen. Auch könne sie keine zusätzliche Arbeit annehmen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie sei davon ausgegangen, dass sie bis zum Ende der Ausbildung Leistungen vom Antragsgegner erhalten werde. Sie sei die Klassenbeste und unterziehe sich derzeit der Zwischenprüfung. Soweit erforderlich, sei sie bereit, die erhaltenen Leistungen nach Ende der Ausbildung zurückzuzahlen. Sie habe bereits Mietschulden. Entstünden weitere, so drohe ihr Obdachlosigkeit.
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin sei nach § 7 Abs. 5 SGB II von der Gewährung von Leistungen ausgeschlossen, weil sie in einer im Rahmen des BAFöG förderungsfähigen Ausbildung sei. Soweit § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II eine Rückausnahme für Auszubildende vorsehe, deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAFöG bemesse, finde diese keine Anwendung. Zwar bemesse sich der Anspruch der Antragstellerin nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAFöG. § 7 Abs. 6 SGB II sei jedoch so auszulegen, dass nur diejenigen Schüler ausgenommen seien, die Leistungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAFöG erhielten und im elterlichen Haushalt wohnten. Die Antragstellerin lebe aber in einer eigenen Wohnung. Schließlich sei auch ein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, der dem Leistungsträger Veranlassung geben müsste, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gew...