Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung durch den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Für die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist nach § 21 Abs. 5 SGB 2 eine Ernährung erforderlich, die kostenaufwändiger ist, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Eine Fruktose- bzw. Laktoseintoleranz führt nicht aus medizinischen Gründen zu einer kostenaufwändigeren Ernährung.
2. Die Therapie besteht im Weglassen von Laktose- und Fruktosebeimengungen. Das Weglassen von Lebensmitteln führt aber nicht zu höheren Kosten. Die Ernährung mit einer Vollkost unterfällt nicht § 21 Abs. 5 SGB 2.
3. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe führt allein die hereditäre Fruktoseintoleranz zu einer kostenaufwändigeren Ernährung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht im Überprüfungsverfahren einen ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Fruktose- und Laktoseintoleranz für das Jahr 2014 geltend.
Mit Schreiben vom 27. März 2015 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Bewilligungsentscheidungen des Beklagten ab Juni 2013 wegen der Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Sie fügte ein Attest des Dr. J mit ärztlicher Bescheinigung vom 5. September 2013 bei, nach dem sie an einer nicht heilbaren kombinierten Fruktose- und Laktoseintoleranz leide. Danach bestehe die einzige Therapie in einer speziellen Ernährungsform.
Mit Überprüfungsbescheid vom 28. April 2015 lehnte der Beklagte die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 ab. Der notwendige Aufwand für eine verträgliche Vollkost sei mit dem im Regelbedarf enthaltenen Anteil für Nahrungsmittel ausreichend gedeckt.
Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2015 der Erfolg versagt.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 24. Oktober 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angegriffene Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 28. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2015 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2014 abändere und ihr einen ernährungsbedingten Mehrbedarf gewähre. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Er umfasse Bedarfe, die nicht von der Regelleistung abgedeckt seien. Für die Gewährung eines Mehrbedarfs sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung Voraussetzung, die eine Ernährung erfordere, die kostenaufwändiger sei, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R zitiert nach juris). Die Klägerin leidet zwar unter einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (Fruktose- und Laktoseintoleranz). Diese führe aber nicht zu einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigeren Ernährung. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung könne nicht gesehen werden. Nachdem von der Klägerin beigebrachten ärztlichen Attest bestehe die einzige Therapie in dem Weglassen von Laktose- und Fruktosebeimengungen in der täglichen Ernährung. Das Weglassen von Lebensmitteln führe aber nicht zu höheren Kosten. Die Ernährung werde auch nicht deshalb im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II kostenaufwändiger, weil die weggelassenen Lebensmittel durch andere, verträgliche Lebensmittel ersetzt werden müssten. Denn nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe sei bei einer Erkrankung mit Fruktose- und Laktoseintoleranz die Ernährung diätisch mit Vollkost angezeigt. Gleichbedeutend zur „Vollkost“ könne auch der Begriff „gesunde Mischkost“ verwendet werden. Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf (BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 - B 14 AS 65/12 R, zitiert nach juris) sei kos...