Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu dem Prozesskostenhilfe ausschließenden Vermögen gehört auch der Anspruch auf kostenlose Rechtsvertretung durch eine Gewerkschaft, und zwar unabhängig davon, ob diese Rechtsvertretung in Anspruch genommen wird.
2. Die Aufhebung einer Prozesskostenhilfebewilligung wegen unvollständiger Angaben setzt nicht voraus, dass die Unvollständigkeit der Angaben auf Verschulden beruht.
3. Eine Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, die auf Nichtvorliegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt wird, erfordert mehr als die bloße Verneinung dieser Voraussetzungen, nämlich entweder das Hinzukommen eines bestimmten Verschuldensgrads oder die Einhaltung einer gesetzlich bestimmten Frist.
4. Der Beschluss über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, der auf Nichtvorliegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt wird, ist mit der Beschwerde anfechtbar.
Normenkette
ZPO § 124 Nr. 3, § 114 S. 1; SGG § 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 73a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 172 Abs. 3 Nr. 3
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
In dem beim Sozialgericht Berlin zunächst unter dem Aktenzeichen S 126 R 5309/10 geführten Rentenverfahren beantragte Rechtsanwalt A für den Kläger am 03. November 2010 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. In der beigefügten, mit "G. B" unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 30. September 2010 ist unter Punkt B "Trägt eine Rechtsschutzversicherung oder andere Stelle/Person (z.B Gewerkschaft, Arbeitgeber, Mieterverein) die Kosten Ihrer Prozessführung?" das Feld "Nein" angekreuzt. Mit Beschluss vom 27. April 2011 gewährte das Sozialgericht dem Kläger daraufhin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. Nachdem der Kläger diesem das Mandat entzogen hatte, erstattete die Staatskasse dem Rechtsanwalt 321,30 €. Im März 2012 meldete sich die D Rechtsschutz GmbH für den Kläger. Auf eine Anfrage des Sozialgerichts erklärte daraufhin der Kläger, von Rechtsanwalt A nicht gefragt worden zu sein, ob er eine Rechtsschutzversicherung habe oder sonstiger Schutz bestehe.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2012 hat das Sozialgericht Berlin seinen Beschluss vom 27. April 2011 gestützt auf § 124 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben. Bei schon im April 2011 möglicher Vertretung durch die Gewerkschaft sei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen gewesen. Im Zeitpunkt der Bewilligung hätten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen. Die gesetzlich vorgesehene Frist, innerhalb der er eine Aufhebung möglich sei, sei noch nicht abgelaufen. Gründe, die im Rahmen des Ermessens zu einem Absehen von der Aufhebung der Bewilligung führen könnten, seien nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Kläger eingelegte Beschwerde. Zur Begründung macht er geltend, im März 2010 bei Rechtsanwalt A lediglich eine "Vollmacht für Prozesskostenhilfe" unterschrieben zu haben. Er ließe sich nichts unterstellen, insbesondere keine grobe Nachlässigkeit und keine unrichtigen Angaben.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2012 ist statthaft. Insbesondere ist sie zur Überzeugung des Senats nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die grundsätzlich gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile zulässige Beschwerde ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichtet ist und das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Unabhängig davon, ob die vom Sozialgericht ausgesprochene Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe überhaupt mit der vom Wortlaut der Norm vorgesehenen Ablehnung der Gewährung der Prozesskostenhilfe gleichgesetzt werden könnte (bejahend: LSG Sachsen, Beschluss vom 31.08.2011 - L 7 AS 553/11 B - Rn. 7 f., Roller, NZS 2009, 252 ff. (258) und Burkiczak, NJW 2010, 407 ff. (408); verneinend: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.06.2008 - L 5 B 163/08AS - Rn. 2, Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.11.2010 - L 7 AS 486/10 B PKH - Rn. 11, LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08.02.2011 - L 13 AS 2819/10 B - Rn. 2, vom 21.02.2011 - L 13 AL 5384/10 B - Rn. 2 und vom 09.06.2011 - L 13 AS 120/11 B - Rn. 7 sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2011 - L 7 AS 194/11 B - Rn. 2, alle zitiert nach juris), erfordert die auf die Ziffer 2 oder 3 des § 124 ZPO gestützte Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe jedenfalls mehr als die bloße Verneinung de...