Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Beitragsbescheid
Orientierungssatz
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides bestehen, wenn ungeklärt ist, ob die für die Beitragsnachforderung für maßgeblich erklärte Lohntabelle wirksam für allgemein verbindlich erklärt worden ist.
2. Die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist von Amts wegen zu prüfen, wenn ein tariflicher Anspruch gegenüber jemandem geltend gemacht wird, der aus dem Tarifvertrag selbst weder kraft Tarifbindung, noch aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung verpflichtet ist.
3. Ist ein Tarifvertrag rückwirkend für allgemeinverbindlich erklärt worden, so ist eine rückwirkende Änderung durch den Vertrauensschutz begrenzt. Erst mit der Bekanntgabe des Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung muss mit einer rückwirkenden Verbindlichkeit des Tarifvertrags gerechnet werden.
4. Hängt der Ausgang des Hauptsacheverfahrens von tatsächlichen Fragen ab, die wegen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ungeklärt bleiben müssen, ist eine Interessenabwägung zwischen den Beteiligten vorzunehmen.
5. Bei offener Prognose ist bei einer Beitragsnachforderung, welche nicht ohne weiteres aus dem laufenden Geschäftsbetrieb aufgebracht werden kann, die aufschiebende Wirkung des gegen den Beitragsbescheid eingelegten Rechtsmittels anzuordnen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Januar 2006 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2005 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese jeweils selbst zu tragen haben.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 11.526,70 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehung eines Beitragsbescheides über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für tarifvertraglich geschuldetes, tatsächlich aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt für Arbeitnehmer im Zeitraum Januar 1998 bis April 1999.
Er ist Inhaber der Firma B M K in B und beschäftigte im oben genannten Zeitraum die Arbeitnehmer S G, T M, A O, S H, V H, M K, D L, LL, P L, F M, I P, M R, F P, R K und M M(im Folgenden: Mitarbeiter).
Für den entsprechenden Zeitraum galt in Brandenburg für alle gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk die “Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg vom 1. Oktober 1997„, die zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-, Agrar, Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg beschlossen worden war. Für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1999 ist diese Lohntabelle durch die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg für allgemeinverbindlich erklärt worden (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 167 vom 8. September 1998). Sie sah unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im ersten Gesellenjahr im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 ein Mindestarbeitslohn pro Stunde in Höhe von 19,79 DM und im Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999 von 20,13 DM zu zahlen war.
Gleichzeitig existierte noch ein Tarifvertrag zwischen der Maler- und Lackiererinnung F und Arbeitnehmern über die tarifvertragliche Festlegung über Mindestlöhne im Malerhandwerk für den Zeitraum 1998 bis 2001, der in Bezug auf den zu zahlenden Mindestlohn wesentlich geringere Beträge vorsah, nämlich zwischen 13,00 DM und 14,50 DM pro Stunde.
Zwischen dem 22. Juli 2002 und 14. Oktober 2002 führte die Antragsgegnerin beim Antragsteller eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 durch. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2002, wegen dessen Inhalt nebst Anlagen auf Blatt 5 bis 30 der Verwaltungsakte verwiesen wird, erhob die Antragsgegnerin eine Nachforderung in Höhe von 23.053,40 €. Diese Forderung ergebe sich daraus, dass der Antragsteller seinen Mitarbeitern nicht das Mindestentgelt nach der genannten allgemeinverbindlichen Lohntabelle gezahlt habe. Konkret würden die Beiträge für die Differenz zwischen Mindestarbeitslohn und tatsächlich gezahltem Stundenlohn verlangt. Die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Lohnleistungen und sei unabhängig davon, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Denn der Entgeltanspruch mindestens in Höhe des für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages könne für die Parteien eines Arbeitsvertrages nicht unterschritten werden.
Der Bescheid enthielt in der Anlage die Zusammens...