Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagefrist. Absendevermerk. Zugangsfiktion. Betriebskostengutachten. Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Vertrauensschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung einer Erstattung von Betriebskostenvorauszahlungen. Voraussetzung der Annahme einer Zugangsfiktion für den Widerspruchsbescheid
Orientierungssatz
1. Die Zugangsfiktion in § 37 Abs. 2 SGB 10 für den Widerspruchsbescheid kann nur angewandt werden, wenn sich aus der Behördenakte der Tag der Versendung des Bescheides zweifelsfrei ergibt.
2. Eine Erstattung von Betriebskostenvorauszahlungen an einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende wird im auf den Auszahlungsmonat folgenden Kalendermonat auf den Bedarf an Kosten der Unterkunft verrechnet. Auf Vertrauensschutz kann sich der Betroffene insoweit bei der Anrechnung nicht berufen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Cottbus, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren, ist zulässig aber nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm §§ 114 Satz 1, 121 Abs 2 Satz 1 1. Alt Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die “reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine “nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f).
An diesen Vorgaben gemessen ist die hinreichende Erfolgsaussicht der am 18. August 2010 erhobenen Klage nicht gegeben.
Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des SG wohl nicht bereits daraus, dass die am 18. August 2010 erhobene reine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 11. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2010 unzulässig ist, weil sie nicht fristgemäß erhoben worden ist und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind. Gemäß § 87 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Erfolgt die Bekanntgabe - wie hier - mit einfachem Brief im Inland, so gilt der Widerspruchsbescheid gemäß § 37 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Satz 1), außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (Satz 3 1. Halbs). Diese Zugangsfiktion greift aber nur ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde (BSG, Urteil vom 28. November 2006 - B 2 U 33/05 R, juris = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, jeweils RdNr 15, Urteil vom 03. März 2009 - B 4 AS 37/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 15, jeweils RdNr 17 und Urteil vom 06. Mai 2010 - B 14 AS 12/09 R, juris RdNr 10), was hier - entgegen der Auffassung des SG - nicht geschehen ist.
Zwar trägt der Entwurf des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2010 (Bl 212ff der Verwaltungsakte) auf Seite 4 unten neben einer handschriftlichen Datumsangabe (“13.4.10„) auch ein handschriftliches Namenskürzel eines Mitarbeiters des Beklagten. Damit ist aber allenfalls ein innerbehördlicher Vorgang bestätigt worden, nämlich die Zuleitung des Widerspruchsbescheids an die Poststelle des Beklagten, die den Versand durch das Postunternehmen zu veranlassen hatte. Nicht aber gibt dieser Vermerk Aufschluss über den Tag der Aufgabe des den Widerspruchsbescheid beinhaltenden Briefes zur “Post„.
Hinsichtlich des nachfolgenden Vorgangs, nämlich der Aufgabe des Briefes beim Postunternehmen bzw ggf auch des Einwurfes des Briefes in den Postkasten (BSG, Urteil vom 03. März 2009 - B 4 AS 37/08 R, aaO, RdNr 17), enthält der vom Beklagten vorgelegte Verwaltungsvorgang keine Vermerke mehr (vgl zum Ganzen auch BSG, Beschluss vom 26. August 1997 - 5 RJ 6/96, juris = SozR 3 -1960 § 4 Nr 3). Ein Postausgangsbuch führt der Beklagte vermutlich nicht. Er wird daher wohl nicht nachweisen können, wann er den Widerspruchsbescheid abgesandt hat. Ebenso wenig wird der Beklagte nachweisen können, wann der Widerspruchsbescheid dem Kläger zugegangen ist (§ 37 Abs 2 Satz 3 2. Halbs SGB X). Davon ausgehend wäre zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Klagefrist am 18. August 2010 jedenfalls noch nicht abgelaufen war (vgl BSG, Urteil vom 28. Novembe...