Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Zugunstenbescheid wegen der Bindungswirkung des Ausgangsbescheides. Vorrang der Bindungswirkung des Ausgangsbescheides bei unzureichender Begründung eines Antrags auf Erlass eines Zugunstenbescheides

 

Orientierungssatz

1. Ein Sozialleistungsträger kann sich im Rahmen der Prüfung eines Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB 10 jedenfalls dann auf die Bindungswirkung des zugrunde liegenden Bescheides berufen, wenn sich aus dem Antrag auf den Zugunstenbescheid nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung spricht.

2. Die Frage, ob bei mangelnder Begründung des Antrags bezüglich eines Zugunstenbescheides der Bindungswirkung des bestandskräftigen Ausgangsbescheides Vorrang vor einer materiellen Prüfung dieses Bescheides zukommt, ist jedenfalls derart strittig, dass die für die Zuerkennung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB 10 anzunehmen ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 2. November 2011 aufgehoben.

Der Klägerin wird für das bei dem Sozialgericht Cottbus anhängige Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 4 AS 1092/11 mit Wirkung ab dem 26. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt T L, R. Straße, G beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 11. November 2011 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde der Klägerin gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 8. November 2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 2. November 2011, mit dem dieses es abgelehnt hat, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren S 4 AS 1092/11 zu bewilligen, ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, zulässig und auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG im Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine Rechtsverfolgung hat dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar und unter Berücksichtigung auch des gegnerischen Vorbringens den Prozesserfolg für möglich hält. Dies ist vorliegend der Fall, denn die Frage, ob sich eine Behörde bei ihrer Entscheidung über einen Überprüfungsantrag auf die Bindungswirkung des zur Überprüfung gestellten Bescheides berufen und es ablehnen darf, die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu prüfen, wenn der Antragsteller - wie hier - weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren auch nur ansatzweise dargelegt hat, aus welchen Gründen der zur Überprüfung gestellte Bescheid rechtswidrig sein soll, und weder neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen noch neue Beweismittel benannt hat, ist nicht unumstritten.

Im Sozialleistungsrecht ist die Überprüfung und Aufhebung auch bestandskräftiger Verwaltungsakte aufgrund der Vorschrift des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach der Rechtsprechung jedenfalls des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 3. Februar 1988, Az.: 9/9a RV 18/86, BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr. 33, zitiert nach Juris) und des 4. Senats des BSG (Urteil vom 3. April 2001, Az.: B 4 RA 22/00 R, BSGE 88,75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20, zitiert nach Juris) verlangt § 44 SGB X, dass vor einer erneuten Sachprüfung zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden. Auf der ersten Stufe hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft des früheren Verwaltungsakts überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen seiner Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsakts in der Sache prüfen und bescheiden. Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf einen Zugunstenbescheid allerdings nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Denn sie soll nich...

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