Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. vorrangige Selbsthilfemöglichkeiten bei Hilfe bei Krankheit. Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung. Übernahme von Kosten der Krankenbehandlung durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Der Sozialhilfeträger kann nach § 48 SGB 12 grundsätzlich zur Übernahme von Kosten der Krankenbehandlung verpflichtet werden.

2. Diesem Anspruch steht im Einzelfall der Nachranggrundsatz des § 2 SGB 12 entgegen. Seit dem 1. 1. 2009 besteht auch für den Hilfebedürftigen die Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung, wenn er nicht anderweitig gegen Krankheit abgesichert ist.

3. Stehen ihm hierzu noch Geldmittel bzw. Darlehensmittel zur Verfügung, so ist eine Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Übernahme von Krankenbehandlungskosten ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt mit der Beschwerde weiter die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -, hilfsweise Hilfen bei Krankheit gemäß § 48 SGB XII in Form der Übernahme von Arzneimittel- und Behandlungskosten zu gewähren. Mit Beschluss vom 10. Juli 2009 hat das Sozialgericht Berlin einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Antragsstellers abgelehnt. Die gegen den am 23. Juli 2009 zugestellten Beschluss am 17. August 2009 eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Form von Leistungen zum Lebensunterhalt und Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Er kann seinen Bedarf aus seinem Renteneinkommen und dem Wohngeld decken. Nach § 42 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter den Regelsatz nach § 28 SGB XII, hier in Höhe von 359,00 Euro, sowie hier einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 61,03 Euro und Leistungen für Unterkunft und Heizung, hier in Höhe von 344,78 Euro (Miete inklusive Heizung, der im Regelsatz enthaltenen Pauschale für Warmwasser in Höhe von 6,53 €), insgesamt 764,81 Euro. Mit seinem Renteneinkommen in Höhe von 661,82 Euro und dem Wohngeld in Höhe von 109,00 Euro verfügt der Antragsteller über ein monatliches einzusetzendes Einkommen in Höhe von 770,82 Euro, mit dem er seinen Bedarf decken kann.

Auch der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme von Arznei- und Behandlungskosten nicht glaubhaft gemacht.

Zwar kann der Antragsgegner nach § 48 SGB XII auch zur Übernahme von Kosten der Krankenbehandlung (entsprechend den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V) verpflichtet sein. Einem Anspruch des Antragstellers steht hier jedoch der Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII entgegen.

Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der Kläger könnte hier die begehrten Leistungen - Arznei- und Behandlungskosten - von anderen erhalten, nämlich von einem Versicherungsunternehmen. Seit dem 01. Januar 2009 besteht für den Antragsteller eine Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung, da er - so sein Vortrag - nicht anderweitig gegen Krankheit abgesichert ist (§ 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz - VVG -). Private Versicherungsunternehmen sind seit dem 01. Januar 2009 verpflichtet, Verträge mit Betroffenen zu einem Basistarif nach § 12 Abs. 1a Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - abzuschließen. Daraus folgt, dass der Abschluss eines Versicherungsvertrages für den Eintritt von Risiken im Falle der Erkrankung für den Kläger nicht nur verpflichtend ist, sondern ihm durch den Abschlusszwang seitens eines privaten Versicherungsunternehmens und den darüber vermittelten Versicherungsschutz auch ein bereites Mittel zur Selbsthilfe zur Verfügung steht.

Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei finanziell nicht in de...

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