Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsschutzbedürfnis einer Beschwerde gegen eine stattgebende einstweilige Anordnung des Sozialgerichts entfällt nicht, wenn der Beschwerdeführer zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung der Anordnung nachgekommen ist.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern zu 1, 3 und 4 die außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig, selbst wenn der Antragsgegner mittlerweile der erstinstanzlichen Verpflichtung zur einstweiligen Gewährung eines Darlehens und dessen Auszahlung nachgekommen sein sollte:
Das Recht zur Beschwerde steht nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der in erster Instanz unterlegenen Behörde zu. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht, wenn die Behörde als Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin der vom Sozialgericht auferlegten Verpflichtung nachgekommen ist, um eine Zwangsvollstreckung abzuwenden bzw. zu vermeiden. Solange die Behörde aus diesem Grund -und nicht freiwillig (vgl. hierzu: OVG Berlin, B. v. 15.09.1997 -2 SN 11/97 NVwZ 1998, 85f) - leistet, gibt es keine prozessuale Vorschrift oder Regel, die eine Beschränkung des Rechtsschutzes der unterlegenen Behörde ausschließlich auf das Hauptsacheverfahren vorsieht (anderer Auffassung: LSG Berlin-Brandenburg, 10. Senat, B. v. 9.12.2005 -L 10 B 1004/05AS ER- veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die Beschwerde setzt nur voraus, dass der Beschwerdeführer sein Begehren auf eine vorläufige Regelung beschränkt und nicht bereits im Eilrechtsverfahren eine endgültige Klärung begehrt (in diesem Sinne ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, 14. Senat, B. v. 4.11.2005 -L 14 B 1147/05 AS ER Juris mit Bezug auf OVG Weimar, B. v. 17.07.1997 -2 ZEO 256/97 FEVS 48, 129-131).
Es entspricht der vorherrschender Auffassung, dass das zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung Geleistete den Rechtsstreit nicht erledigt (vgl. Bundesgerichtshof NJW 1994, 942) und die Beschwer des Rechtsmittelführers nicht entfällt (vgl. Zöller/Gunnar/Heßler ZPO, 25.A. 2005 vor § 511 Rdnr. 10 mit Nachweisen). Es kann insoweit keinen Unterschied zur Situation einer tatsächlich durchgeführten Vollstreckung einer noch nicht endgültigen gerichtlichen Entscheidung geben. Auch die Beschwerde nach § 173 SGG hat im Regelfall -wie hier bei einer Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 SGG- gemäß § 175 SGG keine aufschiebende Wirkung: Eine Behörde, die sich rechtstreu verhält, folgt der durch das Sozialgericht ausgesprochenen Verpflichtung sofort (spätestens nach der förmlichen Zustellung). Es wäre weder im wohlverstandenen Interesse des erstinstanzlich obsiegenden Antragstellers, wenn die Behörde quasi zu rechtswidrigem Verhalten -nämlich einer vorübergehenden Missachtung jedenfalls bis zur Entscheidung über einen Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG- gezwungen wäre, wenn sie die einstweilige Anordnung für rechtswidrig hält. Noch genügte es ihrem Recht auf Gehör, wenn sie trotz bestehendem Rechtsbehelf bei rechtstreuer Beachtung der sofortigen Vollziehbarkeit das Rechtsmittel der Sache nach verlöre. Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz gehört zu den Rechten, auf die sich auch staatliche Stelle berufen können (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rdnr. 33).
Die Beschwerde des erstinstanzlich unterliegenden Antragsgegners setzt nach dem Gesetz neben der Beschwer auch kein Eilbedürfnis oder ähnliches voraus. Sie hat (bereits) Erfolg, wenn die Voraussetzungen für die einstweilige Anordnung nicht bzw. nicht mehr vorliegen.
Anderes folgt nicht aus der Möglichkeit, nach § 199 Abs. 2 SGG die Aussetzung der Vollstreckbarkeit zu beantragen. Diese Vorschrift ist eine rein vollstreckungsrechtliche. Sie schränkt jedoch nicht die materielle Beschwerdemöglichkeit ein.
Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache erfolglos.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der geltend gemachte Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (Anordnungsanspruch), dass ohne Eilrechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Rechtsverletzung droht (Anordnungsgrund) und dass die Interessen des Antragstellers auch sonst überwiegen.
Hier besteht ein Anordnungsanspruch. Es spricht viel dafür, dass bei der im Rahmen eines Eilverfahrens grundsätzlich vorzunehmenden nur summarischen Prüfung das Ermessen des Antragsgegners nach § 22 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) so reduziert ist, dass eine Darlehensgewährung zu erfolgen hat:
Der Senat folgt dem SG in der sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebenden Auffassung, § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II stelle auf den Verlust der konkreten Woh...