Entscheidungsstichwort (Thema)

Formale Anforderungen an die Zulässigkeit einer Klage

 

Orientierungssatz

Eine formlos und ohne Unterschrift erhobene Klage ist nur dann wirksam, wenn die Person des Klägers feststeht und nichts dafür spricht, dass das Schriftstück ohne dessen Willen an das Gericht gelangt ist. Der Schutz des Rechtsuchenden erfordert die Offenlegung der Anschrift zu dessen einwandfreien Identifizierung. Die Angabe einer Handytelefonnummer bzw. einer E-Mail-Adresse genügt nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Anbringung eines Rechtschutzbegehrens. In einem solchen Fall ist die Klage als unzulässig zu verwerfen, weil es bereits an einem formal ordnungsgemäßen prozessualen Begehren fehlt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2018, mit dem dieses die Klage im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Kläger in den Monaten Juni bis September 2013 - da er zu diesem Zeitpunkt an einer deutschen Universität eingeschrieben war - gänzlich abwies und für die Zeit von Oktober und November 2013 insoweit abwies, als hier die von dem Beklagten für angemessen gehaltenen Kosten überschritten wurden.

Gegen das ihm am 19. November 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. November 2018 per Telefax Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Obwohl der Kläger mehrmals gebeten worden ist, eine Zustelladresse sowie die Adresse seines Aufenthaltsortes bekanntzugeben, enthalten seine umfangreichen Schriftsätze lediglich eine Mobiltelefon-Nummer, eine ePost-Faxnummer sowie eine E-Mail-Adresse.

Aus dem schriftlichen Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2018 sowie der Bescheide des Beklagten vom 4. Juni 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. Juni 2014 abzuändern und ihm für die Zeit von Juni 2013 bis November 2013 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben vom 11. September 2019 sind die Beteiligten auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 18. November 2003 (B 1 KR 1/02 S) hingewiesen worden, dem Kläger ist eine Kopie übersandt worden. Des Weiteren sind die Beteiligten mit diesem Schreiben darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen, da Eingaben, bei denen der Kläger bewusst keine Wohnanschrift nennt, sondern lediglich Mobilfunknummern oder eine E-Mail-Adresse angibt, unzulässig sind, weil es in diesen Fällen bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren fehlt. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16. Oktober 2019 gegeben worden. Im Falle des Klägers erfolgte eine öffentliche Zustellung des Schreibens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Leistungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte nach § 158 S. 2 SGG durch Beschluss entscheiden, denn die Berufung ist bereits unzulässig und ist damit zu verwerfen.

Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger in seiner Korrespondenz mit dem Senat bewusst keine Wohnanschrift genannt hat und nennt, fehlt es bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren.

Insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Beschluss vom 18. November 2003 (B 1 KR 1/02 S, zitiert nach Juris, dort Randnummer 3ff.) Folgendes ausgeführt:

„Nach § 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine Klage (hier iVm §§ 165, 153 Abs. 1 SGG sinngemäß: ein sonstiges Rechtsschutzbegehren) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim zuständigen Gericht zu erheben. Das Ersuchen um Rechtsschutz "soll" gemäß § 92 Satz 1 und 2 SGG u.a. die "Beteiligten" bezeichnen und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Tagesangabe unterzeichnet sein. Auch wenn ein Computerfax die vom Gesetz geforderte Schriftform wahrt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmSOGB - vom 5. April 2000 - GmS-OGB 1/98 = BGHZ 144, 160, 165 = SozR 3-1750 § 130 Nr. 1; BVerfG - Kammer - NJW 2002, 3534; BSG SozR 3-1500 § 151 Nr. 3 S 7 und Nr. 4 S 10; BSG, Urteil vom 21. Juni 2001 - B 13 RJ 5/01 R), fehlt es im vorliegenden Fall jedenfalls an einer hier wesentlichen ungeschriebenen weiteren Sachurteilsvoraussetzung. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird. Dies entspricht überwiegend der in Rechtsprec...

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