Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Verletzung rechtlichen Gehörs bei Versagung eines Antrags auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz
1. Hat ein als Einzelanwalt tätiger Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter in einem sozialgerichtlichen Verfahren rechtzeitig vor einem angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Terminverschiebung wegen einer nachgewiesenen Terminkollision in einem anderen Verfahren gestellt, so wird das rechtliche Gehör des von dem Rechtsanwalt vertretenen Mandanten verletzt, wenn das Sozialgericht dem Antrag nicht nachkommt. Das gilt jedenfalls dann, wenn in dem Verfahren nicht bereits eine Terminverlegung auf Antrag des betroffenen Rechtsanwalts erfolgt ist.
2. Beruht die Verletzung des rechtlichen Gehörs auf einer Verhinderung der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs die ergangene Gerichtsentscheidung beeinflusst hat, ohne dass es dazu näherer Ausführungen bedarf.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Juli 2013 wird zugelassen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 15. Juli 2013, mit dem die Berufung nicht zugelassen worden ist, ist zulässig und begründet.
Zu Recht ist das Sozialgericht in dem Urteil vom 15. Juli 2013 (entgegen der noch im Gerichtsbescheid vom 06. September 2012 lautenden Rechtsmittelbelehrung) davon ausgegangen, dass die im Grundsatz nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung vorliegend kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Denn nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung. In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Klageverfahren begehrt die Klägerin höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den vom angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 06. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2011 erfassten Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011. Zur Begründung macht sie geltend, das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011 (Bibl. I S. 453), auf dessen Grundlage die Leistungsberechnung erfolgt sei, genüge nicht den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 09. Februar 2010 (1 BVB 1/09, 1 BVB 3/09, 1 BVB 4/09, zitiert nach Juris) gestellten Anforderungen; insofern nimmt sie Bezug auf ein Gutachten von Prof. Dr. M. Zwar hat die anwaltlich vertretene Klägerin weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in dem für die Prüfung des Beschwerdewerts maßgebenden Zeitpunkt der Einlegung der Berufung einen auch nur annähernd bestimmten oder gar bezifferten Antrag gestellt. Dem Senat ist aber aus einer Vielzahl gleichartiger Verfahren vom selben Bevollmächtigten vertretener Kläger bekannt, dass damit Leistungen in einer Höhe begehrt werden, die deutlich unterhalb des Schwellenwertes für eine Berufung von 750,01 € liegen. Das legen außerdem die Rücknahme der Berufung nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis des vormals zuständigen Senats sowie der gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung (vgl. § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) nahe. Eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr ist ohnehin nicht im Streit.
Die Berufung ist jedoch nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zuzulassen, weil ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Klägerin hat die Verletzung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß gerügt. Sie hat die Verletzung von § 62 SGG hinreichend bezeichnet. Die Rüge, die der Beurteilung des Senats unterliegt, trifft auch zu. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht - wie im zu entscheidenden Fall erfolgt - die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn erhebliche Gründe für eine ...