Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ausschluss des Fertigarzneimittels Acomplia mit dem Wirkstoff Rimonabant von der vertragsärztlichen Versorgung. Rechtmäßigkeit der Änderung der Arzneimittelrichtlinie. kein Verstoß gegen die EU Transparenz-Richtlinie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung von §§ 34 Abs 1 S 7 - 9 SGB 5.

2. Zum Verfahren beim Erlass von Änderungen der Arzneimittelrichtlinien.

3. Zur Anwendung der Transparenz-Richtlinie.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner das Fertigarzneimittel Acomplia ® mit dem Wirkstoff Rimonabant zu Recht durch eine Ergänzung der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung i. d. F. vom 19. September 2006 (BAnz. S. 6527, Arzneimittel-Richtlinien -AMR-) von der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen hat.

Die Antragstellerin ist die deutsche Konzernobergesellschaft der französisch-deutschen S-A-Gruppe, die das Fertigarzneimittel Acomplia ® mit dem Wirkstoff Rimonabant herstellt und vertreibt. Nach der Fachinformation der Antragstellerin für dieses Medikament ist der Wirkstoff Rimonabant nach seinen pharmakologischen Eigenschaften ein selektiver Cannabinoid-Rezeptor-Antagonist, der durch die Blockade eines spezifischen Typs von Rezeptoren wirke, nämlich der Cannabinoid-Typ1-(CB1)-Rezeptoren, die im Nervensystem und verschiedenen peripheren Geweben vorkommen. Die zentralen und peripheren Komponenten des Endocannaboidsystems, das im zentralen Nervensystem und peripheren Geweben die Energiebilanz, den Glukose- und Lipidstoffwechsel und das Körpergewicht steuere, wiesen bei Übergewicht und Adipositas eine Überaktivität auf. Dadurch entstehe ein sich selbst verstärkendes Feedbacksystem, das ein dauerhaft überreguliertes kalorisches Gleichgewicht sowie eine Adipositas begünstige. In das Geschehen greife Rimonabant durch die Blockade der CB1-Rezeptoren ein, indem es in den Neuronen des mesolimbischen Systems die Aufnahme von sehr schmackhaften, süßen und fettreichen Nahrungsmitteln moduliere. Rimonabant sei der erste zugelassene Vertreter eines CB1-Rezeptor-Blockers und stelle damit ein völlig neues pharmakologisches und therapeutisches Wirkprinzip dar. Dieses zeichne sich dadurch aus, dass neben einer Reduktion des Taillenumfanges und einer Gewichtsreduktion eine direkte, substanzeigene Wirkung auf den Glukose- und Blutfettstoffwechsel bestehe. Das Medikament besitzt eine Zulassung als Fertigarzneimittel der Europäischen Medizinagentur (EMEA) zur Behandlung der Adipositas und des krankhaften Übergewichts. Eine Zulassung zur Behandlung des Diabetes und der Dyslipidämie besteht nicht.

In seiner Sitzung vom 18. Juni 2006 beschloss der Antragsgegner die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der Übersicht in Anlage 8 über die nach Nr. 18 AMR ausgeschlossenen Fertigarzneimittel und zur Aufnahme des Wirkstoffes Rimonabant in die Tabelle “Abmagerungsmittel (zentral wirkend)„ und räumte den Stellungnahmeberechtigten eine Frist zur Abgabe ihrer Stellungnahme bis zum 24. August 2006 ein. Hierzu nahmen der V e.V. (V) in einem 24 Seiten langen Schreiben vom 23. August 2006, der Leiter des F-Centrums für Klinische Forschung der C Prof. Dr. J J in einem Schreiben vom 24. August 2006, und die D e.V. in einem 16seitigen Schreiben vom 21. August 2006 Stellung. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2006 hat der Antragsgegner die Übersicht in Anlage 8 über die nach Nummer 18 AMR ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in der Tabelle “Abmagerungsmittel (zentral wirkend)„ um den Wirkstoff “Rimonabant„ sowie das Fertigarzneimittel “Acomplia ®„ ergänzt und festgesetzt, dass die Änderungen am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten. Nachdem die Beigeladene zu 10) den Beschluss nicht beanstandet hatte, wurde er im Bundesanzeiger Nr. 8 vom 12. Januar 2007 (S. 400) veröffentlicht. Der Antragsgegner hat die tragenden Gründe seiner Entscheidung in einer 49 Seiten langen Begründung dargelegt und am 23. Februar 2007 im Internet veröffentlicht.

Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat sie im vorliegenden Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Ihren Antrag, den Beschluss des Antragsgegners vom 17. Oktober 2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage auszusetzen und den Antragsgegner zu verpflichten, diese Aussetzung im Bundesanzeiger zu veröffentlichen, hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 8. Juni 2007 abgelehnt, weil die Antragstellerin für dieses Begehren keinen Anordnungsanspruch besitze. Der Beschluss sei verfahrensfehlerfrei...

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