Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf häusliche Krankenpflege neben ambulanter Eingliederungshilfe nach dem SGB 12 beim betreuten Wohnen

 

Orientierungssatz

1. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nur insoweit entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zur Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege verpflichtet, als sie dazu aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung auch in der Lage sind (vgl BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13).

2. Ergibt sich aus der ärztlichen Verordnung, dass ein Mitarbeiter der Eingliederungshilfe zweimal am Tag bei dem Versicherten in der Wohnung sein müsste, um Medikamente zu verabreichen und einmal den Blutzucker zu messen und müsste dieser ferner einmal in der Woche den Wochenbedarf an Medikamenten herrichten, reicht dafür ein bewilligter Umfang der Eingliederungshilfe von sechs Fachleistungsstunden in der Woche nicht aus.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 11. April 2017 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab sofort bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 16. Dezember 2017, Leistungen der häuslichen Krankenpflege in form von Blutzuckermessung einmal täglich, Verabreichen von Medikamenten zweimal täglich sowie Herrichten von Medikamenten ein mal wöchentlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Dem Antragsteller wurde nach Aktenlage unstreitig durch seine ihn behandelnden Ärzte für den Zeitraum 16. Dezember 2016 bis 16. Dezember 2017 häusliche Krankenpflege unter anderem in Form von täglicher Blutzuckermessung und Insulininjektion, zweimal täglicher Medikamentengabe sowie wöchentlichem Richten der Medikamente und eine Injektion subcutan monatlich verordnet. Hinsichtlich häuslicher Krankenpflege durch viermal tägliches Verabreichen von Augentropfen ist daneben ein weiteres Verfahren anhängig (LSG Berlin-Brandenburg, Az. L 1 KR 229/17 BER) gewesen.

Die Antragsgegnerin bewilligte mit Bescheid vom 29. Dezember 2016 häusliche Krankenpflege hinsichtlich der Injektionen und lehnte Leistungen im Übrigen ab.

Der Antragsteller hat vor dem Sozialgericht Cottbus (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, die Antragsgegnerin zur Gewährung der häuslichen Krankenpflege als Sachleistung ab sofort zu verpflichten.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 11. April 2017 zurückgewiesen. Der Antragsteller habe keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin, da die Intensität der verordneten Pflege nicht derart hoch sei, dass nur durch den Einsatz einer Pflegekraft Krankenhausbehandlung vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung erreicht werden könnte. Außerdem seien die Wohnstätte bzw. die Werkstatt ihrerseits verpflichtet, die Leistungen zu erbringen. Zudem sei noch keine Zahlungsaufforderung vorgelegt worden und nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller selbst zu einer Vorleistung nicht in der Lage sei.

Gegen den ihm am 18. April 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Mai 2017 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der die Leistungen ab 11. April 2017 begehrt werden.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in der Sache begründet. Zu Unrecht hat das SG abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu verpflichten. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte an den Erfolgsaussichten nur orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so hat es anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Nach diesen Maßstäben durfte das SG eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistung nicht ablehnen.

Ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege kann sich nämlich aus § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V ergeben. Bei der (verordneten) Herrichtung und Verabreichung von Medikamenten liegt eine Erscheinungs...

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