Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. nicht objektivierbarer Gebrauchsvorteil. kein Anspruch auf Hörgeräteversorgung über den Festbetrag hinaus. Begriff des unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Sind Gebrauchsvorteile in Gestalt von Messergebnissen nicht objektivierbar, hat ein Versicherter keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Hörgerät über den Festbetrag hinaus; das subjektive Hörempfinden ist insoweit ohne Belang.
Orientierungssatz
Zum Begriff des unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleichs.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin
vom 1. März 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure 7px über den Festbetrag hinaus.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist mittelgradig schwerhörig und verfügt über einen Grad der Behinderung von 60, u.a. wegen einer Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseitig.
Ohne eine vertragsärztliche Verordnung von Hörgeräten wandte der Kläger sich an „Das Hörakustik Studio“ und erhielt dort am 20. Mai 2014 einen Kostenvoranschlag für die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Siemens Pure micon 7mi zum Preis von insgesamt 5.523,80 Euro. Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 beantragte er bei der Beklagten Kostenübernahme; er habe verschiedenste Hörhilfen getestet und sich für die bezeichneten Geräte entschieden, weil sie die besten seien.
Mit Bescheid vom 1. August 2014 bewilligte die Beklagte eine Zahlung in Höhe des Festbetrages von 1.594,00 Euro.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger an, er sei auf die ausgewählten Geräte angewiesen. Nur sie gewährleisteten eine ausreichende Versorgung. Er habe bei verschiedenen Akustikern etwa 15 Hörhilfen getestet.
Am 26. Mai 2015 erhielt der Kläger eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aufgrund der Diagnose „Schallempfindungsschwerhörigkeit bds. mit Hochtonabfall bds.“ und legte diese der Beklagten vor.
Im Juni 2015 ließ der Kläger die Hörgeräte Siemens Pure 7bx von „Das Hörakustik Studio“ testen; der Test ergab ein Sprachverstehen im Freifeld von 80 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 70 Prozent. Einen Kostenvoranschlag vom 4. Juni 2015 über die Versorgung mit diesen Geräten zum Preis von insgesamt 4.000,00 Euro reichte er bei der Beklagten ein. Auf Nachfrage der Beklagten teilte „Das Hörakustik Studio“ mit Schreiben vom 29. Juni 2015 mit, dass zum Festbetrag erhältliche Hörgeräte nicht getestet worden seien; insoweit kämen etwa die in audiologischer Hinsicht geeigneten Geräte Riva 2 P in Betracht.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 und 1. Oktober 2015 teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, an ihrer Entscheidung festzuhalten, lediglich den Festbetrag zu bewilligen. Zu empfehlen sei eine erneute Testung unter Einbeziehung von Festbetragsgeräten.
In einer Stellungnahme für die Beklagte vom 12. Januar 2016 stellte der Hörakustiker C H unter Berücksichtigung der konkreten Hörbeeinträchtigung des Klägers die Festbetragsgeräte Riva 2 P und das vom Kläger gewählte Siemens Pure 7bx einander gegenüber. Aus dem Hörkurvenverlauf des Klägers ergäben sich keine Hinweise, die eine spezielle technische Hörgeräteanforderung begründeten. Die eigenanteilsfreien Geräte verfügten über die erforderlichen technischen Eigenschaften, um ein bestmögliches Sprachverstehen zu erzielen. Aufgrund verschiedener Faktoren wie etwa der besonders kleinen Bauweise sei es nachvollziehbar, dass das gewählte Siemens Pure 7bx subjektiv angenehmer erscheine; jedoch seien diese Faktoren dem Komfort zuzuschreiben und nicht für einen objektiven Ausgleich grundlegend erforderlich.
Auf dieser Grundlage wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 31. März 2016 erhobene Klage. Er sei bislang unversorgt und auf die ausgewählten Geräte angewiesen, denn nur diese erzielten den gewünschten Erfolg. Das Gerät Riva 2 P habe er erfolglos getestet. Das Siemens-Gerät sei im Vergleich zu den Festbetragsgeräten eine andere Welt. Er habe damit sogar die Vögel wieder zwitschern gehört.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger sich auf Anraten des Sozialgerichts einer erneuten Testung verschiedener Hörgeräte unterzogen. Aus einem Anpass- und Abschlussbericht der Amplifon Deutschland GmbH vom 30. August 2017 und einem Befundbericht dieses Akustikstudios vom 16. November 2017 ergibt sich insoweit, dass Geräte der Marke Siemens Pure 7px (aufzahlungspflichtig) und Vea 280 sowie Intuis 2 P (beide aufzahlungsfrei) getestet worden seien. Für alle drei Geräte sei ein Sprachverstehen im Freifeld von 90 Prozent und im Freifeld unter Störschall von 50 Prozent gemessen worden. Messunterschiede hätten sich nicht ergeben. Der Kläger habe sich für das Gerät von Siemens entschieden. Wegen der Einzelheiten wird au...